Weihnachtsglanz und Liebeszauber
Geschenke. Aber du hättest nicht den leisesten Schimmer, von wem die seien. Das macht ihn eifersüchtig.«
Puh, war ich stolz auf mich!
»Meinst du, das glaubt er?«
»Es ist die Wahrheit.«
Rese zupfte am Freundschaftsbändchen herum. »Ja. Aber was bringt es mir?«
Rese zum Glück zu verhelfen war eine Mammutaufgabe, die mich noch in den Wahnsinn trieb. »Der, der dir jeden Tag ein Geschenk ans Brückengeländer knüpft, muss ein echt toller Typ sein. Der meint es ernst, Rese. Willst du dir den vergraulen?«
Sie zögerte. »Eigentlich nicht.«
»Dann gib ihm noch eine Chance. Ruf Giselbert an. Könnte doch sein, er macht dir die Geschenke.«
Rese warf den Kopf zurück. »Der? Nie im Leben!«
»Du weißt es nicht«, beharrte ich, griff nach ihrem Handy und hielt es ihr vors Gesicht. »Ruf an.«
»Später.«
»Jetzt.«
O.K., sie rief an, flötete liebe Worte und verdrehte dabei die Augen.
Meine Schwester war ein Miststück.
Ich ging dann hinunter und in die Halle, wo die Reitschüler im Kreis herum ritten. Wenigstens da gab’s keine Neuigkeiten; alles war wie gehabt. Ich streichelte Fury, hielt Ausschau nach meinem Bruder und fand ihn mit seinem Freund Sam im Stall.
»Hast du Ma gebeichtet?«
»Ja.«
»Und?«
»Kein Taschengeld bis Ostern«, klagte er. »Aber wenigstens muss der Esel nicht weg und Sam hat was zu essen.«
Der Kleine deutete auf eine prall gefüllte Plastiktüte, die an der Wand lehnte. »Lauter gute Sachen. Spaghetti und Brot und Käse und so!«
Na bitte! »Siehst du«, sagte ich zu Nick. »Ohne Heimlichkeiten klappt es noch besser.«
Nahrungsmittel und warme Sachen waren das eine, die Lichterkette das andere. Nick hatte die nicht geklaut; eine Lichterkette wärmte nicht, und futtern konnte man sie auch nicht.
Wer hatte die Lichterkette geklaut???
So kurz vor Weihnachten dämmerte es bereits, als Jan gegen vier Uhr zur Reitstunde erschien. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf: Er gondelte auf einem nagelneuen, blitzsauberen Rad ohne die kleinste Roststelle daher.
19.Dezember
W ohl schon ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk?«, hatte ichgefragt.
»Ne. Das Rad fahre ich nur, bis mein eigenes repariert ist.«
»Lohnt sich das denn noch? Ich meine, der viele Rost, und dann nur drei Gänge?«
»Drei sind besser als nur einer«, entgegnete er cool.
Sagte meine Schwester nicht etwas Ähnliches? Drei Lover sind besser als nur einer!
Schule, Hausaufgaben und schlechte Noten hin oder her – ich hatte mich aufs Rad gesetzt und erst mal Giselberts Päckchen mit der neuesten Liebesbotschaft ans Brückengeländer geknüpft. Dann war ich stadteinwärts gefahren und hatte mir die nächste Straßenportion vorgenommen. Ich musste unbedingt die Girlande auftreiben, sonst hatte ich überhaupt kein Geschenk.
Wie ich so strampelte, stellte sich wieder das komische Gefühl im Rücken ein; ich drehte mich um – und wer folgte mir? Jan, der Wikinger.
»Blödmann!«
»Blödfrau!«
»Ich hab ’ ne Schutzallergie!«, brüllte ich und raste los, als wären tausend Polizisten hinter mir her.
An diesem Abend hatte ich mir das ältere Neubaugebiet vorgenommen. Die Häuser waren da zwanzig, dreißig Jahre alt und standen in kleinen Gärtchen mit hohen Büschen und ausgewachsenen Bäumen, die den Blick auf die Haustüren verstellten.
Das war blöd.
Mir blieb nichts anderes übrig, als mein Radl abzustellen, die Gartentörchen aufzuklinken und zu Fuß zu den Türen zu gehen.
Obwohl ich fluchte, klapperte ich fleißig eine nach der anderen ab. Es ging so langsam voran, dass ich nur einen Teil meiner Detektivarbeit erledigen konnte. Ich musste nach Hause; wenn ich zum Abendessen nicht erschien, war der Teufel los.
Rese saß schon auf der Bank und freute sich über eine Schokokugel in rotgoldener Folie mit Glitzerdekor. Noch mehr freute sie sich aber über die angehängte Liebesbotschaft. »Rese, du bist süßer als jede Schokolade!«
Die Schokokugel hätte größer sein können, aber Giselbert hatte wenigstens auf ein drittes Freundschaftsbändchen verzichtet.
Ich fieberte dem nächsten Abend entgegen; die Zeit wurde knapp – ich musste die Girlande auftreiben!
So kam’s, dass ich an diesem Abend, dem Mittwochabend, wieder losdüste, und weil die Zeit wirklich drängte und es sogar zu schneien begann, achtete ich nicht auf etwaige Gefühle im Rücken.
Ich stellte wieder mein Radl ab und ging zu Fuß; über Spuren im Schnee machte ich mir keinen Kopf, schließlich schneite es so stark,
Weitere Kostenlose Bücher