Weihnachtsglanz und Liebeszauber
nichts.«
»Halt einfach den Mund und kümmere dich um die Rese!«, fuhr ich ihn an, dann schob ich mein Radl aus der Nische und wir stiegen auf. Zwei Meter weiter stieg ich ab. »Schon vergessen? Ich hab ’ne akute Schutzallergie.«
»Ich …« Jan kratzte sich am Kopf – das, was ich für einen Helm gehalten hatte, waren seine silberblonden Paris-Hilton-Haare. »Ich beschütze dich nicht. Ich begleite dich nur. Geht das in Ordnung?«
»Du gibst wohl nie auf, was? Also gut. Es sind sowieso nur noch zwei oder drei Sträßchen.«
Fury hasst es, wenn ihm ein anderes Pferd zu nahe kommt. Ich hasse es auch, wenn mir einer zu nahe kommt. Genauer: wenn mich einer verfolgt und zu Tode erschreckt. Mann, was hab ich nicht schon über Spanner gehört! Und gelesen hab ich ganz furchtbare Sachen! »Warum hast du mich nicht einfach gefragt, ob du mit mir radln kannst?«, wollte ich wissen.
»Wärst du einverstanden gewesen?«, entgegnete Jan.
»Nö.«
»Siehst du. Deshalb hab ich dich nicht gefragt.«
»Aha.« Wir radelten gerade durch die Schustergasse. Die war kurz, eng und dunkel. Und menschenleer. Eigentlich ziemlich gruselig. »Woher wusstest du überhaupt, dass ich auf Girlandensuche bin?«
Jan lachte. »Ich kenne dich. Ich war mir ganz sicher, dass du die Suche noch längst nicht aufgegeben hast. Deshalb hab ich angerufen und wollte dich sprechen. Deine Mutter sagte, du seiest gerade losgefahren.«
Mit meiner Ma musste ich ein ernstes Wort reden. »Und dann warst du in null Komma nichts überm Zipfelbach und –«
»Ja. Sozusagen«, bestätigte Jan.
»Das hört jetzt auf. Versprochen?«
»Hör zu, Ally. Wie wäre es – ?«
»– wenn du dich ein für allemal um meine Schwester kümmern würdest?«
»Nein.«
»Was – nein?!«
»Nein. Ich meine: Nein, ich kümmere mich nicht um deine Schwester.«
»Warum denn nicht, um Himmels willen?«
»Weil ich’s nicht will, darum.«
Warum willst du’s nicht, verkniff ich mir gerade noch und sagte stattdessen: »Blödmann.«
»Blödfrau.«
Noch eine Straße, dann waren wir durch die Altstadt durch. Weit und breit keine Girlande mit Lichterkette. Pech gehabt. Aber gut; morgen war wieder ein Tag. Und ein Abend, in dem ich die Suche fortsetzen würde.
Schweigend radelten wir zu unserem Erlenhof hinaus.
Dort sagte Jan: »Gute Nacht, Blödfrau.«
Ich sagte: »Ebenfalls gute Nacht, Blödmann.«
Mein Radl stellte ich ab und wartete geschlagene zehn Minuten in der Affenkälte, bis Jans Rücklicht nur noch als winziges rotes Pünktchen in der Dunkelheit leuchtete. Dann machte ich mich zur Brücke übern Zipfelbach auf. Vorsichtig und zu Fuß näherte ich mich und hielt Ausschau nach meiner Schwester Rese. Die war weg. Ich linste in alle Richtungen, und als ich sicher war, dass mich absolut niemand beobachtete, knüpfte ich das winzige Päckchen ans Geländer.
Kurz vorm Schlafengehen rannte dann die Rese nochmals ins Freie und kam triumphierend mit eben dem Päckchen zurück.
»Schau mal!«, rief sie und hielt mir das mickrige Freundschaftsbändchen unter die Nase. »Ist das nicht hübsch? Absolut niedlich ist das. Findest du nicht auch, Ally?«
Ich knurrte nur. Giselbert war ein alter Esel; er hatte ein Zettelchen zum Bändchen gelegt, auf dem stand dasselbe wie gestern: »Für Rese von einem, der sie liebt.«
Ziemlich einfallslos das Ganze. Aber was konnte man von einem Kerl wie Giselbert schon erwarten? Ich seufzte: Den musste ich mir zur Brust nehmen. Am besten, ich schrieb ihm die Liebesbotschaften vor, sonst wurde nie was aus der Sache.
»Von einem der sie liebt« – mehr hatte der Loser wohl nicht zu bieten. Aber er passte eben wie kein anderer zu Rese. Das war klar. Sonnenklar sogar.
Auf jeden Fall reichte es, dass sie sich wahnsinnig freute.
An diesem Morgen aß sie vor lauter Freude ganze zehn Honigpops.
Voll der Wahnsinn, wenn jemand verliebt ist. Aber wirklich!
18. Dezember
D er Montag gestern war nicht mein Tag gewesen.
Über all den Aufregungen in meiner Familie hatte ich die Schule nicht mehr wichtig genommen und bekam an diesem Tag die Rechnung präsentiert: In Englisch eine 3–4, in Mathe eine 4. Soweit war’s ja noch in Ordnung, aber der Ebi Rattelhuber hatte in meiner Bio-Arbeit ein grässliches Blutbad angerichtet; die Note war entsprechend und weit entfernt von einer 4, die gerade noch so akzeptabel gewesen wäre. Aber gut, bis zum Halbjahreszeugnis war es noch lange hin, also regte ich mich ab.
Ich schrieb Giselbert für die
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