Weihnachtsglitzern: Roman (German Edition)
historischen Viertel, dem Hauptquartier für jeden Obdachlosen in Savannah, und erstaunlicherweise ist alles, was du in deinem unverschlossenen Truck liegen lässt, am nächsten Tag verschwunden.«
»Ich lege die Geschenke immer ins Handschuhfach«, sagte ich. »Niemand außer Miss Annie würde dort nachschauen.«
»Bis auf die Armee aus Obdachlosen, die draußen auf dem Colonial Friedhof campiert, der – wie weit? – ein Block von deinem Haus entfernt ist. Jeder könnte dich dabei beobachtet haben, wie du heimlich Weihnachtsmann spielst.«
»Aber mir sieht niemand zu«, entgegnete ich dickköpfig. »Annie ist die Einzige, die davon weiß. Außerdem, wer sonst würde ein Geschenk für mich hinterlassen?«
Zum ersten Mal war BeBe sprachlos. Aber nur einen Augenblick.
»Eine Obdachlose macht dir Geschenke?«
»Wunderbare Geschenke«, sagte sie. »Gestern hat sie mir einen riesigen Hotelschlüssel dagelassen. Vom alten DeSoto-Hotel.«
»Das wurde vor mehr als fünfunddreißig Jahren abgerissen!«
»Ich weiß. Also muss sie wissen, wie sehr ich alles aus dem alten Savannah liebe«, sagte ich selbstgefällig.
»Wahrscheinlich hat sie ihn schon vor Jahren mitgehen lassen«, meinte BeBe rundheraus. »Wahrscheinlich hat sie früher in Hotels gestohlen, ehe sie eine obdachlose Diebin wurde. Was hat sie dir noch geschenkt?«
»Eines Morgens lag da ein riesiger Kiefernzapfen. Von einer Goldkiefer. Der größte, den ich je gesehen habe. Ein anderes Mal war es ein winziges, perfekt geformtes Muschelhorn. Nicht größer als mein Daumennagel. Aber das heutige Geschenk war das beste von allen.«
»Ich kann es kaum erwarten«, meinte BeBe trocken.
Ich ignorierte ihren Sarkasmus, griff erneut in meine Tasche und zog Miss Annies Geschenk heraus.
»Eine Flasche«, stellte BeBe fest. »Wie passend für eine alte Alkoholikerin.«
»Nicht einfach eine Flasche«, sagte ich und drehte das dunkelblaue Gefäß um, um ihr die Markierung auf dem Boden zu zeigen. »Das ist eine John-Ryan-Sodaflasche.« Mit der Fingerspitze strich ich sanft über das Glas, dessen Oberfläche so abgeschliffen war, dass sie sich wie Samt anfühlte.
»Und?«
»Sieh dir das Datum an«, wies ich sie an.
Sie kniff die Augen zusammen und nahm den Flaschenboden genauer unter die Lupe.
»1867. Ist das Ding echt so alt?«
»Ja«, sagte ich leise. »Du weißt, dass ich nicht mit alten Flaschen handle. Das ist eher was für Männer. Aber es gibt eine Menge Leute, die nach alten Flaschen graben, und einen Haufen Händler in der Stadt. Ich weiß genug über alte Flaschen, um zu wissen, dass ich nicht genug weiß. Also überlasse ich das meistens den Kerlen. Trotzdem …«
»Diese Flasche ist bestimmt mehr als eine Million Dollar wert«, meinte BeBe ironisch. »Und eine obdachlose Frau hat sie dir geschenkt. Einfach so.«
Ich warf ihr einen ärgerlichen Blick zu.
»Ich weiß, dass John-Ryan-Flaschen bei Sammlern beliebt sind«, erklärte ich schließlich. »Diese wurde hier in Savannah mit Soda abgefüllt. Und zwar im Jahr 1867. Also habe ich ein paar Nachforschungen angestellt. Sie ist keine Million Dollar wert. Aber dieses Kobaltblau ist heißbegehrt. Bei dieser hier fehlt leider der Drahtbügel, der ursprünglich am Hals befestigt war, um den Verschluss zu halten. Am Rand gibt es ein paar abgeschlagene Stellen, und sie hat einen Haarriss. Im Internet habe ich eine ähnliche Flasche gefunden, die allerdings perfekt war. Sie wurde für zehntausend Dollar verkauft.«
»Für eine alte Sodaflasche!«
»Ich mache die Preise nicht«, sagte ich. »Ich erzähle dir nur, wie der Markt aussieht. Egal, diese Flasche ist alles andere als perfekt. Zumindest für einen Sammler. Aber ich würde auch niemals Geld dafür verlangen.«
Seufzend griff sie nach ihrem Weinglas und leerte es.
»Das verstehst du nicht, ich weiß«, sagte ich. »Aber Annie kennt mich. Sie weiß, dass ich alle Dinge aus Savannah liebe. Hier, wo auch ich entstanden bin. Und sie weiß, dass Blau meine Lieblingsfarbe ist. Ich glaube, sie hat die Flasche irgendwo gefunden. Vielleicht hat sie sie auch irgendwo in der Stadt selbst ausgegraben, obwohl das absolut illegal ist. Aber das ist mir egal. Es ist das perfekte Weihnachtsgeschenk.«
»Von einer weinseligen Pennerin«, sagte BeBe.
Ich starrte sie an. »Das ist es!«, rief ich und sprang auf. Ich ergriff ihre Hand, zog sie hoch, bis sie stand, und drückte sie begeistert an mich.
»Was?«
»Wein!«, sagte ich. » Das werde ich Daniel
Weitere Kostenlose Bücher