Weihnachtsmord auf Sandhamn ( 2 Kurzkrimis )
Finger und Zehen eiskalt wurden. Die Temperatur hatte um null Grad gelegen, aber durch das nahe Meer war die Luft klamm und feucht. Die Kronen der hohen Kiefern hatten im Sturm geschwankt, dass es in den alten Ästen nur so knackte.
Langsam und systematisch waren sie die Strände abgelaufen. Mithilfe der vielen Freiwilligen hatten sie den Wald von Västerudd bis Trouville abgesucht, von den versiegelten Bunkern aus dem Zweiten Weltkrieg bis zu den winterfest verschlossenen Ferienhäusern. Beim kleinsten Verdacht hatten sie haltgemacht und alles genau untersucht. Sie hatten keine Mühen gescheut.
Schließlich hatte einer der Hundeführer Thomas angesehen und den Kopf geschüttelt.
»Das ist zwecklos«, hatte er gesagt. »Wer weiß, ob sie nicht auf dem Meeresgrund liegt. Die Hunde müssen sich ausruhen, sie sind völlig erschöpft.«
Thomas wusste, dass er recht hatte.
Trotzdem wollte er nicht aufgeben. Er hatte die Verzweiflung in Marianne Roséns Augen gesehen und wusste genau, was sie fühlte. Es war dieselbe Verzweiflung, die er selbst gespürt hatte, als er eines Morgens seine drei Monate alte Tochter kalt und leblos im Bettchen fand und alle Wiederbelebungsversuche vergeblich blieben.
Nach einem weiteren Tag hatten sie die Suche abgebrochen. Sie hatten jeden Stock und jeden Stein auf der Insel umgedreht. Lina Rosén war nirgends zu finden.
Nach einer Weile waren die Ermittlungen vorläufig eingestellt worden.
Innerhalb der Polizei herrschte die Meinung vor, dass das arme Mädchen Selbstmord durch Ertrinken begangen hatte, und die Leiche ins Meer hinausgetrieben worden war. Eine andere, näherliegende Erklärung gab es nicht. Gewisse Äußerungen ihrer besten Freundin Louise untermauerten diese Annahme.
Thomas hatte sich alle erdenkliche Mühe gegeben, das Mädchen zu finden. Ohne Erfolg. Sie war und blieb spurlos verschwunden.
Er seufzte und streckte den Rücken. Es war schon spät, er hätte längst im Bett sein sollen.
Den Fall in einer Sendung wie »Vermisst« zu veröffentlichen, war ein drastischer Schritt, aber Linas Eltern hätten wer weiß was getan, um ihre Tochter wiederzufinden.
Wer könnte ihnen das verdenken, dachte Thomas und streckte sich nach der Fernbedienung, um den Fernseher auszuschalten.
Kapitel 4
Kapitel 4
Kaum war die Babysitterin gegangen, platzte Nora der Kragen. Sie hatte es geschafft, während der Party die Fassade zu wahren, aber nun, da sie endlich wieder zu Hause waren, ging es nicht mehr.
»Eine Krankenschwester! Banaler geht’s nicht! Hättest du dir nichts Besseres suchen können?«
Nora funkelte ihren Mann an, die Arme vor der Brust verschränkt. Beide standen im Flur ihres Reihenhauses in Saltsjöbaden, den sie eigenhändig tapeziert hatten. Sie war damals mit Adam schwanger gewesen und hatte eine Latzhose getragen, die dem dicken Bauch genügend Platz bot. Nora konnte sich noch gut erinnern, wie glücklich sie über die schöne Tapete mit den dünnen hellblauen Streifen gewesen war, die sie im Sommerschlussverkauf ergattert hatte.
Henrik schwieg.
Offensichtlich war er auf ihren Ausbruch überhaupt nicht vorbereitet. Er sah aus wie ein kleiner Junge, der bei etwas Verbotenem erwischt worden war.
Nora konnte sich nicht zurückhalten. Die Worte brachen aus ihr heraus, heftig und vulgär, normalerweise drückte sie sich anders aus.
»Was fällt dir eigentlich ein, sag mal? Nach allem, was wir zusammen durchgemacht haben. Ich beiße die Zähne zusammen und tue, was ich kann, damit diese Ehe funktioniert. Ich kämpfe wie eine Wahnsinnige, und du wirfst alles für einen Fick mit irgend so einem jungen Ding auf den Müll!«
»Es tut mir leid, ich wollte wirklich nicht, dass du es auf diese Art erfährst.« Henrik wandte den Blick ab.
»Wie dann? Auf was für eine Art hattest du es dir denn vorgestellt?« Nora spuckte ihm die Fragen geradezu ins Gesicht. »Wolltest du mir irgendwann schonend beibringen, dass du mich für eine Krankenschwester aus deiner Abteilung sitzen lässt? Oder wolltest du einfach nur deinen kleinen Spaß nebenbei, ohne dass ich es je erfahre?«
Henrik sagte nichts. Mit einer Hand löste er den Schlips und legte ihn auf den Garderobentisch. Langsam zog er das Jackett aus und hängte es ordentlich auf einen Bügel.
Nicht ohne Bitterkeit bemerkte Nora, wie attraktiv er immer noch war. Mit seinem dunklen Haar und dem klassischen Profil sah er noch genauso aus wie vor zwölf Jahren, als sie sich kennenlernten.
Ein gut aussehender Ehemann und
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