Weihnachtszauber 01
zwischen zwei Gebäudeflügeln, auf dessen anderer Seite sich die Wendeltreppe zu ihrem Turmstübchen in die Dunkelheit schraubte.
„Autsch.“ Rowan stellte den Krug ab, wobei sie etwas von dem inzwischen abgekühlten Wasser verschüttete, setzte sich auf die oberste Stufe, den Rücken zum Absatz gewandt, und massierte sich die tauben Finger.
„Was gibt es denn?“
Sie fuhr zusammen und sprang taumelnd auf. Ihr Fuß verfing sich im Saum ihres Kleides, und sie fiel, unter ihr die Steintreppe und weit und breit nichts zum Festhalten.
4. KAPITEL
„Ich hab’ Sie.“ Sie war schwerer, als sie aussah, und sie wand sich in seinem Griff und nutzte seinen Körper als Gegengewicht, um das Gleichgewicht wiederzuerlangen.
Plötzlich hatte Lucas ein keuchendes Frauenzimmer im Arm, das die Hände um seine Oberarme klammerte.
„Sie Idiot!“ Auch wenn sie nur leichte Slipper trug, wich er abrupt einen Schritt zurück, als sie ihm ans Schienbein trat, und zog sie mit sich. Natürlich – er hätte es ja wissen müssen. Es war Miss Lawrence, nicht irgendein Stubenmädchen, das sich den Fuß verdreht hatte.
„Autsch“, versetzte er milde und schob sie weg von sich. „Erst meine Nase, jetzt mein Schienbein. Sie sind eine gefährliche Frau, Daisy Lawrence.“
„Sie wären nie in Gefahr geraten, wenn Sie Abstand zu mir gehalten hätten“, fuhr sie ihn an.
Das Licht war schummrig, und er konnte sie kaum erkennen, doch ihre Augen funkelten ihn an, und er war sich ziemlich sicher, dass ihre Miene keinerlei lächelnde Dankbarkeit zeigte.
Natürlich sollte er sie loslassen. Aber er stellte fest, dass er das nicht wollte, und sie klammerte sich ebenfalls noch an ihm fest, was seinem viertbesten Frack auch nicht gerade dienlich war. „Ich dachte, Sie hätten sich wehgetan.“ Es schien angebracht, sich versöhnlich zu zeigen. „Vielleicht den Fuß verstaucht.“
„Infolgedessen ich mir dann beinahe den Hals gebrochen hätte.“ Ihre Zähne blitzten weiß auf, als sie lächelte. Ihr Zorn schien ebenso schnell verflogen, wie er gekommen war. „Der Henkel des Wasserkrugs hat mir in die Finger geschnitten. Ich habe ihn abgestellt, während ich sie mir gerieben habe.“ Ihre Stimme klang nun nicht mehr ungehalten, sondern weich und eine Spur müde.
„Lassen Sie mal sehen.“ Sie standen immer noch nah beieinander. Er konnte sie riechen, ein überraschend süßer Duft nach Gardenien und warmer Frau. Köstlich.
„Aber dazu müssen Sie meine Arme loslassen.“
„Oh! Tut mir leid, das war der Schreck.“
Sie öffnete die Hände, als hätte sie sich verbrannt. Ihm war auch heiß. Sehr heiß.
Lucas atmete tief durch, um sich zu beruhigen.
„Ich bin nicht schwindelfrei, muss ich zugeben.“ Sie winkte ab, als er sie bei der Hand nehmen und zur Kerze führen wollte. Stattdessen hielt sie die Hand selbst ins Licht.
„Sehen Sie. Es ist schlimmer, als ich dachte.“
Der Anblick der rötlichen Striemen auf der glatten Haut berührte ihn merkwürdig. Er wollte Miss Daisy Lawrence beschützen, was einfach lächerlich war; sie war durchaus in der Lage, für sich selbst einzustehen. Aber diese feinen Hände waren nicht dazu gemacht, schwere Wasserkannen zu schleppen. Sie sollte nichts Anstrengenderes tun, als das Haar ihrer Herrin zu kämmen. Dann fiel ihm wieder ihr Anblick ein, als sie die Pelisse bearbeitet hatte, feine Schweißperlen auf der Stirn, zarte Röte auf den Wangen. Hastig wuchtete er den Wasserkrug hoch, ehe seine Fantasie vollends mit ihm durchging.
„Den trage ich. Wo ist Ihr Zimmer?“
Einen Augenblick glaubte er schon, sie würde sich weigern, es ihm zu sagen, doch dann leuchtete in ihrem Blick wieder das geheimnisvolle Leuchten auf. „Danke, das wäre überaus freundlich. Diese Wendeltreppe entlang, noch zwei Stockwerke, fürchte ich.“
Es tut ihr gar nicht leid, dachte Lucas beifällig. Sie rächte sich an ihm. „Gehen Sie hinter mir, und halten Sie die Kerze so, dass das Licht auf die Stufen vor mir fällt.“
Die Treppe war steil, gewunden und uralt, die Stufen ausgetreten und unterschiedlich hoch. Am nächsten Absatz war Lucas außer Atem. Wenn er allein gewesen wäre, hätte er an diesem Punkt den Krug in die andere Hand genommen, doch er dachte nicht daran, vor Daisy irgendwelche Schwäche zu zeigen – eine Einsicht, die ebenfalls ärgerlich war.
„Hier sind wir.“ Der Weg hatte nur ein Ziel: Die Treppe führte zu einer Brettertür.
Lucas hob den Riegel an und trat einfach ins Zimmer.
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