Weihnachtszauber 01
Gespräche mit einer Dame zu führen. Deshalb hatte er vor zwei Jahren viel Zeit mit Clara verbracht. Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte begonnen, sie zu lieben.
Das wäre sein Untergang gewesen ...
Ich muss vorsichtig sein, dachte er, sonst verliebe ich mich aufs Neue in sie.
Er beabsichtigte nicht zu heiraten, und ohne Trauschein würde er sie nie besitzen.
Wenn die Stunden ohne sie nur nicht so trostlos gewesen wären! Ungerufen kam ihm der Gedanke, dass er verloren sei und dass nur Clara ihn retten könne. Das war natürlich Unsinn. Die unerwartete Begegnung mit den Zwillingen musste sein logisches Denkvermögen nachhaltig gestört haben. Doch gewiss würde er wieder er selbst sein, wenn er erst eine Tasse heißen Tee getrunken und die Zeitung gelesen hatte. Auf dem Ball würde er Clara dann genauso gelassen begegnen können wie all den anderen hübschen jungen Damen. Sie war vielleicht ein wenig schöner als die anderen. Und wohl auch ein wenig reicher. Aber ansonsten unterschied sie sich in nichts von ihren Geschlechtsgenossinnen.
Sebastian läutete nach einer Kanne Tee, griff nach der „Morning Post“ und vertiefte sich in einen Artikel. Trotzdem konnte er Clara nicht vergessen.
Abends, als die Kutsche der Davencourts in die Auffahrt zu Cardace House einbog, lag der Schnee bereits mehr als einen Fuß hoch. Eine dünne weiße Schicht bedeckte auch den roten Teppich, den man vor dem Eingang ausgerollt hatte. Die rechts und links der Tür brennenden Lampen gaben wegen der um sie herumwirbelnden Flocken nur ein gedämpftes Licht. Die Temperatur war weiter gesunken, und die Gäste beeilten sich, aus der Kälte ins warme Innere des herrschaftlichen Gebäudes zu kommen.
„Unsere Schuhe werden völlig durchnässt sein, ehe wir das Haus betreten“, klagte Juliana und griff nach Martins Hand, damit er ihr beim Aussteigen aus der Kutsche half. „Wenn dies nicht der wichtigste Ball des Winters wäre und wenn ich nicht vor Neugier auf all das, was Lady Cardace uns zu bieten hat, vergehen würde, hätte ich mich daheim in der Bibliothek in einem Sessel vor dem Feuer zusammengekuschelt.“
Sie seufzte. „Eine Tasse heiße Schokolade und ein gutes Buch ... Hört sich das nicht himmlisch an?“
Clara nickte und versuchte, die Gänsehaut zu vergessen, die ihre Arme bedeckte.
Wenn ihr dieser abscheuliche Windstoß nicht unter ihren Mantel gefahren wäre, würde sie jetzt nicht so frieren! Ihr Abendkleid aus feiner Seide vermochte nicht, sie zu wärmen. Doch sie hoffte, dass Lady Cardace ihre Gäste mit heißen Getränken und gut geheizten Räumen verwöhnen würde. Schließlich gab es nichts Schlimmeres als einen kalten Ballsaal im Winter.
Das wusste natürlich auch Lady Cardace, die eine erfahrene Gastgeberin war und deren alljährlicher vorweihnachtlicher Ball als das größte Ereignis der Herbstsaison galt. Schon Wochen vorher spekulierte man in den Salons darüber, unter welches Motto sie das Fest stellen würde. Niemand, so hieß es, hatte so originelle Ideen wie sie. Was die Dame wiederum zum Anlass nahm, sich bei der nächsten Gelegenheit noch mehr Mühe zu geben.
„Ah“, sagte Martin, als er mit seiner Gattin ins Haus eilte, „mir scheint, diesmal sollen wir uns an den althergebrachten Weihnachtsbräuchen erfreuen.“ Die Dekoration war vielleicht nicht so aufregend wie in anderen Jahren, entsprach jedoch der Tradition und war einfach bezaubernd.
Die drei Davencourts überließen ihre Mäntel einem der bereitstehenden Lakaien und nahmen, als sie den Ballsaal betraten, von einem anderen Bediensteten dankbar einen Becher Glühwein entgegen. Tief atmete Clara den Duft des aromatischen Getränks ein, während sie die kalten Hände an dem heißen Becher wärmte. Dann hob sie den Kopf, um sich umzuschauen.
Tatsächlich hatte Lady Cardace sich wieder einmal selbst übertroffen. Die Wände des Raums waren mit Girlanden aus Tannengrün, Stechpalmenzweigen und Misteln geschmückt. Die roten Beeren schienen zwischen den dunkelgrünen Nadeln und Blättern zu glühen, was wunderschön aussah. Von der Decke hingen weiße Wölkchen aus Tüll, und zwischen ihnen glitzerten künstliche Schneekristalle. In den offenen Kaminen an beiden Enden des riesigen Saales brannten dicke Holzscheite.
Gerade stimmten die Musiker auf dem Podest die erste Melodie an. Der Tanz konnte beginnen.
Aus einem Nebenraum stiegen Clara appetitanregende Düfte in die Nase. Offenbar stand dort für die Gäste eine köstlich
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