Weihnachtszauber 02
Lord Jack Holberton, wie er in Wirklichkeit hieß – nahm einen Schluck Cognac aus seinem Taschenflakon. An diesem Abend wäre beinahe alles verdorben worden, wegen eines Mädchens, das der Schmugglerbande im Hafen nachspioniert hatte. Die Arbeit von zehn Monaten, fast umsonst ...
Nun stand auch noch das Leben der gefangenen jungen Frau auf dem Spiel, und die Nacht hatte eben erst angefangen. Bei diesem Gedanken strich er sich durchs Haar.
Lord Edmund Grosely – oder Mr White, wie er sich nannte – wartete, bis die anderen Männer die Leiter zum Deck hinaufgestiegen waren. „Also, Mr Black ... “ , begann er und blickte in die Richtung der Schritte, die allmählich verklangen. „Bist du frohen Mutes?“
„Natürlich“, erwiderte Jack in seinem üblichen arroganten Ton. „Erscheine ich dir jemals anders?“
Edmund lachte. „Das mag ich an dir – das und dein Geld.“
Lächelnd sank Jack auf ein Fass.
„Wie findest du deine Tarnung?“, fragte Edmund.
Jack schaute auf seine ärmliche Kleidung hinab, in der er wie ein Fischer aussah.
„Immerhin eine gewisse Abwechslung, wenn man an die eleganten Londoner Läden in der Cork Street und der Savile Row gewöhnt ist.“
„Wenn wir heute Nacht aufgehalten werden, bleiben wir im Hintergrund und schweigen. Was zu tun ist, weiß Weasel.“
Skeptisch hob Jack die Brauen.
„Sobald wir den Mund aufmachen, sind wir geliefert“, mahnte Edmund. „So wie wir reden keine Fischer.“
„Ja, das stimmt.“ Jack grinste und nahm noch einen Schluck Cognac aus seinem ziselierten silbernen Taschenflakon. „Nur Abenteurer.“
„Genau.“ Edmund trank aus seinem eigenen Fläschchen. „Wer und was wir sind, würden die Zöllner sofort merken. Normalerweise beteilige ich mich nicht an den Segelfahrten. Buckley ist vertrauenswürdig genug, um alles selber zu organisieren.
Aber, wie gesagt, unser Kapitän ist anscheinend weiß Gott wo verschwunden.
Weasel kann das Boot gut genug manövrieren. Den Rest unserer Geschäfte möchte ihm allerdings nicht anvertrauen.“
„Deshalb benutzen wir heute unseren kleinen Kahn.“
„So würde ich ihn nicht nennen.“
„Wie denn sonst?“
„Eine Notwendigkeit. Keinesfalls möchte ich meine Anonymität riskieren – und mein Geld noch weniger.“
„Ohne Risiko ist das Leben langweilig“, meinte Jack und inspizierte seine Fingernägel.
„Ohne Geld noch viel langweiliger.“
„Davon weiß ich nichts“, erwiderte Jack. „Außerdem dachte ich, wenn es um Geld geht, würde Harrow dich großzügig finanzieren – besser als mein Vater mich.“
„Leider ist mein Vater ein knauseriger Bastard. Alles hortet er, um es meinem Bruder zu überlassen. Das ganze Vermögen wird David erben. Und ich bekomme gar nichts.
Nun, du kennst ja die ungerechten Gesetze der Erstgeburt, nicht wahr?“
Jack lächelte zynisch. „Das kann man sagen.“
„Und die kleinen Freuden des Lebens kosten eine ganze Menge.“
„Besonders in Mayfair“, ergänzte Jack.
„Also hast du davon gehört?“, fragte Edmund.
„Davon hat ganz London gehört.“ Jack lachte, dann runzelte er vielsagend die Stirn.
„Dreitausend Pfund und ein Haus in Mayfair – ziemlich viel, um es an eine Opernsängerin zu verschwenden. Also muss sie gut sein.“
„Sogar sehr gut.“
„Stellt Harrow keine Fragen?“
„Der Alte glaubt, ich hätte Glück am Spieltisch.“
„Da täuscht er sich nicht. Letzte Woche habe ich bei Brook’s gesehen, wie du den jungen Jenkins geschröpft hast.“
Grinsend nickte Edmund. „Jenkins ist ein Narr! Bei unserem Amüsement kann man viel mehr Geld machen als in den Spielsalons.“
„Und es ist riskanter“, meinte Jack.
„Mich werden sie schon nicht einsperren. Dafür würde der Alte sorgen. Wenn er auch den Boden hasst, auf dem ich stehe – am Namen unserer Familie darf kein Makel haften. Sollten mich die Konstabler wirklich schnappen, würde er alle Fäden ziehen, über die er verfügt. Ich würde nur einen Klaps aufs Handgelenk kriegen, sonst nichts.“
„Und die Männer an Bord?“
„Die Buckleys sorgen für sich selber. Und du musst dir keine Gedanken machen.
Obwohl du der schlimmste Sohn bist, den ein Mann kriegen kann, wird Flete aufpassen, damit dir nichts Unangenehmes passiert. Genauso wie mein Vater wird er alles vertuschen.“
„Zweifellos.“ Jetzt verlor Jacks Gesicht den arroganten Ausdruck.
„Schau nicht so trübselig drein, Holberton.“
Als sein richtiger Name genannt wurde, hob Jack
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