Weihnachtszauber 02
Haus eingedrungen war, nach einem ach so kurzen Innehalten zielstrebig und Unheil verheißend die Halle durchquerte. „Ich sehe mich gezwungen, zu schießen, wenn Sie nicht sofort stehen bleiben, Sir!“ Doch der Mann beachtete ihre Drohung nicht. Ohne auch nur zu zaudern, erklomm er zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe. Jeder Schritt brachte ihn näher zu dem oberen Treppenabsatz, auf dem sie stand.
Seine Zähne blitzten weiß in der Dunkelheit auf, und Amelia gewann den Eindruck, dass er über sie lachte.
„Ich gebe dir einen guten Rat, Schätzchen. Drohe nie einem Mann mit einer geladenen Pistole, wenn du nicht die Absicht hast, zu schießen!“
Nun verhöhnte der Mann sie auch noch!
Nicht nur, dass er in das Haus eingebrochen war, zweifellos mit Raub oder Schlimmerem im Sinn. Unverschämterweise machte er sich nun auch noch lustig über ihre Bemühungen, sich zu schützen.
Amelia war vor drei Jahren, nach der Hochzeit ihrer Mutter mit Lord Perry Grayson, in Steadley Manor eingezogen. Ihre Mutter starb wenige Monate nach der Eheschließung, ihr Stiefvater folgte ihr kurz darauf ins Grab. Seitdem war Lord Gideon Grayson, der jüngere Bruder ihres Stiefvaters, ihr Vormund.
Dieser hatte sich jedoch in den vergangenen zweieinhalb Jahren nicht ein einziges Mal die Mühe gemacht, sie zu besuchen. Sie lebte also, wenn man von der bezahlten Gesellschafterin einmal absah, gezwungenermaßen allein in diesem Haus, und das war ihr schon schwer erträglich gewesen. Keinesfalls aber wollte sie es erdulden, einem Einbrecher Anlass zur Belustigung zu sein. Seine Spöttelei war ihr so unerträglich, dass sie diese nicht ungestraft durchgehen lassen wollte ...
Empört straffte sie die Schultern, umfasste den Pistolengriff fest mit beiden Händen und streckte die Arme aus. Dann fasste sie entschlossen ihr Ziel ins Auge und drückte ab. Ohrenbetäubend laut hallte der Schuss durch die Eingangshalle.
„Verflucht, du kleine ...!“
Durch den Rückschlag der Waffe verlor sie das Gleichgewicht und plumpste zu Boden. Das tat weh. Und war demütigend. Gleich darauf wurde ihr die rauchende Pistole von starken Händen entrissen. Als sie aufsah, ragte der Mann, dem Ebenbild eines Racheengels gleich, bedrohlich über ihr auf. Die Pistole hielt er fest in seinen großen Händen.
Eine zartbesaitete Frau wäre sicherlich in Ohnmacht gefallen. Selbst eine starke Frau, für die Amelia sich hielt, wäre möglicherweise versucht gewesen, eine Ohnmacht vorzutäuschen, um dem offenkundigen Zorn des Mannes zu entgehen. Unheilvoll beugte er sich über sie. Doch sie war aus härterem Holz geschnitzt und hegte nicht die Absicht, vor diesem nächtlichen Eindringling Schwäche zu zeigen.
„Es wird Ihnen nichts nützen, die Pistole auf mich zu richten, Sir, da sie bereits abgefeuert wurde“, sagte sie mit gewisser Genugtuung, während sie sich aufrappelte.
Gray wusste nicht, ob er die Frau durchschütteln sollte, weil sie den Wagemut besaß, einem Mann, den sie für einen Einbrecher hielt, die Stirn zu bieten, oder ob er sie für ihre Unverfrorenheit tadeln sollte. Nach kurzer Überlegung entschied er sich, keines von beidem zu tun ...
Seine Augen hatten sich inzwischen an das dämmrige Licht in der vom Mond erleuchteten Halle gewöhnt. Daher sah er, dass die Frau, die ihm mit dem Mut einer gereizten Löwin gegenübertrat, ihm kaum bis zu den Schultern reichte. Üppige goldblonde Locken umrahmten ihr schmales, bleiches, herzförmiges Gesicht und fielen über ihren Rücken bis hinunter zu ihrem – wenn er sich nicht täuschte – wohl gerundeten Gesäß.
Die Farbe ihrer Augen konnte er zwar nicht erkennen, wohl aber sah er das herausfordernde Funkeln in ihrem zornigen Blick. Einer solchen Herausforderung konnte wohl kein heißblütiger Mann widerstehen – nicht einmal einer, der eine anstrengende Reise hinter sich hatte.
Gray legte die abgefeuerte Pistole auf einen Tisch in seiner Nähe und zog sie mühelos in seine Arme.
„Ich ... Was haben Sie vor, Sir?“ Jetzt klang die Stimme des kleinen Satansbratens leicht verängstigt.
Anzüglich lächelnd blickte er auf sie hinab. „Ich dachte, meine Absichten seien offensichtlich, Madam.“
Wohl mehr als offensichtlich, gestand sich Amelia stumm ein, als er sie fester umfing
– förmlich mit ihr verschmolz. Unwillkürlich stahl sich in ihre Entrüstung ein Hauch spannungsvoller Erwartung.
Der Mann, der sie so fest umschlungen hielt, war hoch gewachsen. Seinem stattlichen,
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