Weihnachtszauber 02
ihm gewiss nicht gefallen, dass Sie sich ...
Freiheiten gegenüber seiner Gemahlin herausgenommen haben.“
„Tatsächlich?“, erwiderte er sarkastisch. „Ihr ... Gatte scheint allerdings so fest zu schlafen wie ein Stein.“
Seine auf der Kiesauffahrt knirschenden Schritte hatten Amelia vor wenigen Minuten aus dem Schlaf gerissen. So schnell sie konnte hatte sie die Pistole aus ihrem Nachttisch geholt und war in ihren Morgenmantel geschlüpft, um sogleich in die Halle zu stürmen und den Mann zu stellen. Ganz gewiss war sie nicht in der rechten Stimmung, sich verhöhnen zu lassen. Besonders nicht von einem Mann, dessen einzige Waffe ihre eigene, nicht länger geladene Pistole zu sein schien.
Natürlich war es möglich, dass er eine Pistole bei sich trug. Unter den vielen Falten seines Mantels konnte er sicherlich sogar mehrere Waffen verbergen. Da er bislang jedoch keine gezückt hatte, glaubte Amelia, er würde dies jetzt auch nicht mehr tun.
„Ich versichere Ihnen, Sir, dass Sie die Situation keineswegs mehr so amüsant finden werden, wenn mein Gatte erscheint oder einer der Dienstboten die Hunde auf Sie hetzt!“
„Meine Güte – ein Gatte im Tiefschlaf, der, wenn er wach ist, selbstverständlich ein ausgezeichneter Schütze ist. Und gleich mehrere Hunde – zweifellos sehr bissige –, die auf mich losgelassen werden sollen“, erwiderte ihr dieser nervenaufreibende Mann. Seine Stimme troff vor Ironie. „Seien Sie versichert, mir schlottern bereits die Knie vor Angst, Madam!“
Dieser Schuft klingt eher belustigt als verängstigt, dachte Amelia. Offenbar hatten ihre Drohungen nicht die von ihr beabsichtigte Wirkung hinterlassen. „Sie sind unverschämt, Sir!“
„Und Sie, Madam, sind – unter anderem – eine Schwindlerin!“, sagte er in ruppigem Ton.
Amelia ballte die Hände zu Fäusten. „Wie können Sie es wagen!“
„Oh, ich denke, wenn wir uns erst ein wenig näher kennengelernt haben ...“
„Was ganz sicherlich nicht der Fall sein wird!“
„... dann werden Sie feststellen, dass ich durchaus allerhand wage, meine Liebe“, fuhr er ungerührt fort.
„Ich bin nicht Ihre ...“
„Zunächst aber ...“, unterbrach der Mann sie, „... werde ich Ihre Behauptung, Herrin dieses Hauses zu sein, widerlegen. Ich weiß aus verlässlicher Quelle, dass Lord Gideon Grayson weder verheiratet ist noch es je war!“
„Sie wissen ...? Dann hat man Sie leider falsch informiert, Sir“, sagte Amelia und zwang sich, seinem Blick tapfer standzuhalten.
„Hat man das?“
Seine Stimme klang sanft. Zu sanft, dachte Amelia. „Ja, das hat man. Lord Grayson und ich haben den Ehebund vor sechs Monaten hier in der Dorfkirche geschlossen“, erwiderte sie deshalb betont herablassend. „Es war eine kleine Zeremonie im engsten Familien- und Freundeskreis“, fuhr sie hastig für den Fall fort, dass er tatsächlich über eine „verlässliche Quelle“ verfügte, die er diesbezüglich befragen konnte.
Sie ist nicht nur eine Schwindlerin, sondern eine schamlose Lügnerin, befand Gray ungehalten, weil der jungen Frau die Unwahrheiten so glatt über die rosigen Lippen kamen.
Da er höchstselbst Lord Gideon Grayson war – von Freunden kurz Gray genannt –, wusste er natürlich ganz genau, wo er sich vor sechs Monaten aufgehalten hatte.
Weder hatte er mit seinen Freunden, von denen die junge Frau so wissend sprach, in der Stadt dem Spiel und den Frauen gefrönt. Noch war er in der Grafschaft Bedfordshire oder in Steadley gewesen. Und ganz gewiss hatte er in der Dorfkirche nicht diesen vorlauten Fratz geheiratet!
2. KAPITEL
Seine Schlussfolgerungen führten Gray zu der interessanten Frage, wer zum Teufel die Frau war, die hier vor ihm stand.
Nach seiner Kenntnis lebten derzeit – von den Dienstboten abgesehen, die er bisher weder gesehen noch gehört hatte –, nur zwei Personen in dem Haus, das er von seinem Bruder geerbt hatte: sein junges Mündel Amelia und ihre Gouvernante, eine Miss Dorothy Little.
Ein Name, der ausgesprochen gut zu der zierlichen jungen Frau passte. Dass sie jedoch einem Mann mitten in der Nacht mit einer Pistole in der Hand gegenübertrat, mit nichts weiter bekleidet als einem Negligé, hielt er für ausgesprochen leichtfertig.
Bedachte man dazu noch die Tatsache, dass er sich „Freiheiten herausgenommen hatte“, wie sie es ausdrückte, war ihr Verhalten sogar in höchstem Maße unbesonnen.
Und was die unverschämte Behauptung anging, sie sei seine Gemahlin ...
Seine
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