Weihnachtszauber 02
sein konnten. Ich glaube, ihre Rückkehr nach England wurde nur beschlossen, weil sie freudiger Erwartung war.
Mein Großvater war einige Monate vor ihrer Rückkehr bei einem Jagdunfall ums Leben gekommen. Unglücklicherweise starb er, ohne dass sie sich versöhnt hatten.
Daher hinterließ er auch sein Vermögen einem entfernten Cousin.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Meine Mutter beschloss nach ihrer Rückkehr, dennoch in ihrem Heimatdorf zu leben, weil sie dort Bekannte und Freunde hatte.“
„Das klingt ... vernünftig“, sagte Gray. Er verstand nun, woher Amelia ihr eigensinniges, unbeugsames Wesen hatte. Ihre Willensstärke, ihr Mut und ihre Entschlossenheit verwunderten nicht, bedachte man, dass sie die Tochter eines Soldaten und einer Mutter war, die sich gegen die Wünsche ihres Vaters aufgelehnt und ihrem eigenen Herzen gefolgt war. Diese Entschlossenheit, Willensstärke und Courage hatte Amelia befähigt, einen vermeintlichen Einbrecher mit der Pistole in der Hand zu stellen.
Amelia nickte. „Ich bin mir sicher, meine Mutter hat meinen Vater sehr vermisst, aber ich hatte eine glückliche Kindheit. Auf Monate, in denen ich meine Mutter ganz für mich allein hatte, folgten Wochen mit aufregenden Ausflügen mit meinem Vater.
Er war inzwischen zum Lieutenant befördert worden und besuchte uns, wann immer es ihm möglich war.“
Ihre wehmütige Miene verriet Gray, wie idyllisch, wie glücklich ihre Kindheit gewesen sein musste.
„Mein Vater ist vor vier Jahren gefallen. Sein Vorgesetzter war Major Lord Perry Grayson ...“, fuhr sie liebevoll lächelnd fort. „Er hatte meiner Mutter damals geschrieben, um ihr sein Beileid über den Verlust eines solch großartigen Soldaten auszudrücken, für den er meinen Vater hielt. Er versprach, sie persönlich aufzusuchen, sobald es ihm möglich war.“
Das klingt ganz nach Perry, dachte Gray traurig. Er wusste, sein Bruder hatte den Verlust eines jeden Soldaten seines Regiments ebenso sehr bedauert wie den Tod eines Familienmitglieds. Daher hatte er auch immer versucht, die engsten Verwandten der Soldaten, die in den blutigen Jahren des Krieges an seiner Seite gestorben waren, persönlich aufzusuchen, um ihnen sein Mitgefühl auszusprechen.
„Offensichtlich war sein Besuch eine glückliche Fügung des Schicksals.“
Ihre blauen Augen funkelten. „Wollen Sie damit etwa andeuten ...“
„Ich versichere Ihnen, ich will gar nichts andeuten, Amelia.“ Gray hob abwehrend die Hände. „Perry schrieb mir, bei ihm und Ihrer Mutter sei es Liebe auf den ersten Blick gewesen.“
„Ja.“ Amelia seufzte kummervoll, weil ihrer Mutter nur wenige Monate mit Lord Perry Grayson vergönnt waren, ehe sie an Influenza erkrankte und starb.
„Und das bringt uns in das Hier und Jetzt zurück und zu dem Problem, was nun mit Ihnen anzustellen ist.“
Amelia blickte ihn argwöhnisch an. „Was mit mir anzustellen ist?“
Er nickte knapp. „Man hat mich darauf hingewiesen, Sie seien mit neunzehn Jahren alt genug, um eventuell Gefallen daran zu finden, im nächsten Frühjahr die Saison in London zu verbringen.“
„Die Saison in London verbringen? Ist das Ihr Ernst?“ Amelias Augen leuchteten vor Begeisterung bei der Aussicht, nach London reisen zu können. Dann aber wurde ihr die exakte Bedeutung seiner Worte bewusst. „Wer hat Sie darauf hingewiesen?“, fragte sie argwöhnisch.
Er senkte den Blick und zupfte einen imaginären Fussel von seinen Pantalons. „Eine Bekannte.“
Welche Bekannte? fragte sich Amelia. Wann und wo hatte er diese Bekannte getroffen? Hatte er sich mit ihr an diesem Morgen unterhalten? Oder hatte er mit ihr bereits vor seiner Abreise nach Steadley Manor gesprochen und dies beschlossen?
Vielleicht – Amelia spürte einen Stich im Herzen – handelte es sich um seine derzeitige Mätresse in London, die Frau, die das Bett mit ihm teilte?
„Daher habe ich vorhin gefragt, ob Sie Verwandte haben – offenkundig eine ältere Verwandte –, die während der Saison als Ihre Anstandsdame fungieren kann“, sagte er kühl.
„Leider nein.“ In Amelias Ton lag indes keinerlei Bedauern. Vielmehr klang sie eher aufmüpfig.
Er hatte mit einer Bekannten über sie gesprochen, und gemeinsam hatten sie über ihre Zukunft entschieden – entschieden, was mit ihr „anzustellen“ war! Als wäre sie ein falsch adressiertes Päckchen, das man versehentlich an seine Haustür geliefert hatte und das er ganz offensichtlich schnellstmöglich wieder loswerden
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