Weihnachtszauber 02
versicherte Grace. „Vor einigen Wochen hat Lord Grayson dieser Familie einen großen Dienst erwiesen, für den wir ihm alle sehr dankbar sind. Und da ich die Männer der Familie St Claire inzwischen sehr gut kenne, bin ich mir sicher, er hat Ihnen diesen Vorfall verschwiegen.“
Amelia zog die Stirne kraus. „Gideon ist kein Mitglied der Familie St Claire.“
„Doch, das ist er jetzt“, sagte Grace bestimmt. „Hawk, Lucian, Sebastian und Darius fühlen sich ihm ebenso brüderlich verbunden, wie sie es untereinander sind.“ Sie stand auf – eine schlanke, königlich anmutig wirkende Dame. „Lord Grayson glaubt, er sei zu einem gewissen Thema zu Schweigen verpflichtet. Ich bin mir sicher, ich spreche im Namen der ganzen Familie, wenn ich Sie bitte, ihm mitzuteilen, dass wir ihn von dieser Verpflichtung entbinden.“
Amelia schüttelte den Kopf. „Ich denke nicht, dass ich ...“
„Wie ich festgestellt habe, ist es manchmal besser, zu handeln als zu denken, Amelia“, sagte Grace mit Nachdruck. „Stolz ist ja schön und gut, meine Liebe, aber er hält Sie an einem kalten, verschneiten Winterabend nicht warm.“ Sie lachte leise.
„Über dem Bootshaus gibt es übrigens einen warmen, bequemen Dachraum.“ Mit diesen Worten wandte sie sich ab und durchquerte anmutig den Raum, um ihrer Schwägerin beim Ausschenken des Tees zu helfen.
Amelia blieb mit vielen Fragen zurück, auf die sie zu gerne eine Antwort gewusst hätte ...
Gray stand unter dem Vordach des Bootshauses und sah auf den zugefrorenen See hinaus. Schnee fiel lautlos zu Boden und bedeckte das Eis. Die Schönheit der vom Mond beschienenen Landschaft nahm er indes kaum wahr, so tief war er in seine Gedanken versunken. Besorgniserregende und widersprüchliche Gedanken, die ihn nur noch mürrischer machten, als er es ohnehin schon war.
Seit Tagen war er unglücklich darüber, dass er und Amelia im Streit auseinandergegangen waren. Das angespannte Schweigen, das zwischen ihnen herrschte, gefiel ihm ganz und gar nicht. Allerdings hatte er Amelia seit ihrer Auseinandersetzung kaum gesehen, sie war ebenso mit anderen Dingen beschäftigt gewesen wie er. Aber er hatte einige Male ihr Lachen vernommen und daher gewusst, dass wenigstens sie sich amüsierte. Vielleicht sollte er sich damit zufriedengeben. Dennoch ...
„Gideon?“
Er wandte sich abrupt um und sah Amelia im dunklen Eingang des Bootshauses stehen. Sie trug einen Mantel, dessen Kapuze ihre goldenen Locken bedeckte.
„Was zum Teufel tust du hier?“ Er runzelte die Stirn und trat in das Bootshaus.
„Komm sofort herein, damit du nicht länger der Kälte ausgesetzt bist! Weißt du denn nicht selbst, dass es nicht ratsam ist, nur mit dünner Robe und Mantel und solch ungeeigneten zierlichen Abendschuhen bekleidet im Schnee spazieren zu gehen?“
Sie lachte kläglich. „Welche Frage soll ich dir zuerst beantworten? Aber bevor ich dir antworte – ich habe dir deinen Mantel und Hut gebracht.“ Sie hielt ihm die beiden Kleidungsstücke verlegen hin.
„Die kümmern mich im Moment nicht.“ Gray nahm Hut und Mantel und warf sie auf ein altes Ruderboot, das man aus dem Wasser gezogen hatte, um es über den Winter im trockenen Bootshaus zu lagern. „Warum bist du nicht im Haus bei den anderen Damen, genießt die Wärme des Kaminfeuers und trinkst dabei Tee?“
Sie sah ihn vorwurfsvoll an. „Das ist bereits die dritte Frage, die du mir stellst, ohne mir Gelegenheit zu geben, auch nur eine zu beantworten.“
Gray konnte Amelia im Mondschein deutlich erkennen. Ihre Haut erinnerte ihn mehr an Elfenbein als je zuvor, ihre Augen funkelten hell wie Sterne. Als sie unwillkürlich zitterte, ergriff er ihre Hände. „Ich sagte dir ja, es ist kalt!“ Er bedachte sie mit strengem Blick. „Du musst sofort ins Haus zurückkehren.“
„Kommst du mit mir?“
Um sich in die Enge seines Schlafzimmers zu begeben? Wohl wissend, dass Amelia ihm so nah und doch so fern war wie der Mond, der sein silbernes Licht auf sie warf?
„Nein, dafür bin ich noch nicht bereit“, sagte er barsch.
„Dann werde ich auch nicht gehen.“
„Sei nicht so starrsinnig, Amelia.“
„Ich und starrsinnig?“ Sie sah ihn ungläubig an, ihre Augen blitzten vor Wut. „Nicht nur eine, sondern gleich zwei der Damen St Claire haben mir zu verstehen gegeben, dass du keineswegs der Lebemann und Spieler bist, den du der Gesellschaft weismachen willst. Mir wurde gesagt, die St Claires betrachten dich als Familienmitglied
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