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Weil deine Augen ihn nicht sehen

Weil deine Augen ihn nicht sehen

Titel: Weil deine Augen ihn nicht sehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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sehen. »Mein kleiner Junge hat eine schlimme Erkältung, und ich wollte nur, dass er schnell ins Warme kommt.«
    Sie beobachtete, wie Toomey den Blick durch das ganze Zimmer schweifen ließ. Sie erriet seine Gedanken. Er glaubte ihr nicht. Sie hatte für zwei Nächte in bar bezahlt. Er spürte, dass irgendetwas nicht stimmte. Vielleicht fiel ihm Kathys pfeifender Atem auf.

    Tatsächlich hatte er sie gehört. »Vielleicht sollten Sie Ihren Sohn zum Cape Cod Hospital in die Notambulanz bringen«, schlug er vor. »Meine Frau bekommt immer Asthma, wenn sie eine Bronchitis hat, und bei ihm klingt es auch so, als ob er bald einen Asthmaanfall bekommen würde.«
    »Daran habe ich auch schon gedacht«, sagte Angie. »Könnten Sie mir sagen, wie ich zum Krankenhaus komme?«
    »Von hier sind es zehn Minuten«, sagte Toomey. »Ich fahre Sie auch gerne hin.«
    »Nein. Nein. Es wird schon gehen. Meine … meine Mutter wird gegen ein Uhr hier eintreffen. Sie wird mit uns mitkommen.«
    »Ich verstehe. Nun gut, Miss Hagen, aber Sie sollten wirklich so bald wie möglich dafür sorgen, dass dieses Kind in medizinische Behandlung kommt.«
    »Natürlich, ich werde mich darum kümmern. Vielen Dank. Das ist wirklich sehr nett von Ihnen. Und machen Sie sich keine Gedanken wegen des Kindersitzes. Ich meine, der war sowieso ziemlich alt. Sie wissen schon, was ich meine.«
    »Ich weiß, was Sie meinen, Miss Hagen. Es hat gar keinen Diebstahl gegeben. Aber wie ich von Officer Tyron gehört habe, sind Sie jetzt im Besitz eines Kindersitzes.« Toomey gab sich keine Mühe, seinen Sarkasmus zu verbergen. Er nickte Angie kurz zu und schloss die Tür hinter sich.
    Angie riegelte sofort hinter ihm ab. Er wird mich beobachten, dachte sie. Er weiß, dass ich keinen Kindersitz hatte, und er ist sauer, weil es kein gutes Licht auf seinen Laden wirft, wenn es Klagen über Diebstahl gibt. Dieser Bulle. Der ist auch misstrauisch geworden. Ich muss hier weg, aber ich weiß nicht, wohin. Ich kann nicht mit dem ganzen Krempel rausgehen – dann sieht es so aus, als ob ich abhauen will. Ich muss erst einmal so tun, als würde ich auf meine Mutter warten. Wenn ich jetzt sofort wegfahre, wird er denken, dass etwas nicht stimmt. Vielleicht sollte ich ein bisschen abwarten,
dann das Kind zum Auto bringen und in den Kindersitz setzen, dann zurückgehen – als ob ich noch meine Handtasche holen müsste. Von seinem Büro aus kann er nur die Beifahrerseite sehen. Ich könnte eine Decke über den Koffer mit dem Geld legen und ihn auf der verdeckten Seite in den Wagen schieben. Den ganzen anderen Kram werde ich dalassen, damit er denkt, dass ich noch mal zurückkomme. Wenn er mich anspricht, werde ich sagen, meine Mutter hätte angerufen und wir würden uns im Krankenhaus treffen. Aber mit ein bisschen Glück wird sich gerade ein neuer Gast anmelden, und ich kann unbemerkt verschwinden, während er abgelenkt ist.
    Wenn sie sich dicht an das Fenster stellte, konnte sie die Auffahrt vor dem Büro überblicken. Sie wartete vierzig Minuten ab. Dann, als Kathys Atem schwerer ging und das Pfeifen lauter wurde, beschloss sie, eine der Penizillinkapseln aufzubrechen, ein bisschen davon in einem Esslöffel Wasser aufzulösen und es ihr einzuflößen. Ich muss sie loswerden, dachte sie, aber ich möchte nicht, dass sie mir unter den Händen wegstirbt. Wütend und nervös zugleich öffnete sie ihre Umhängetasche, kramte die Schachtel mit den Kapseln hervor, brach eine auf, schüttete den Inhalt im Bad in ein Glas, verdünnte ihn mit ein bisschen Wasser und holte einen Plastiklöffel von der Kaffeemaschine auf der Theke. Sie schüttelte Kathy, die sich rührte, die Augen öffnete und sofort zu weinen anfing.
    »Mann, du glühst ja richtig«, fuhr Angie sie an. »Hier, schluck das runter.«
    Kathy schüttelte den Kopf, und als sie den ersten Tropfen der Flüssigkeit auf der Zunge spürte, presste sie die Lippen zusammen. »Ich hab gesagt, du sollst das runterschlucken!«, keifte Angie. Sie schaffte es, Kathy ein wenig von der Flüssigkeit einzuflößen, doch Kathy begann zu würgen und spuckte alles wieder aus, so dass es ihr über die Backe lief. Sie begann laut zu heulen und zu husten. Angie holte ein
Handtuch und band es ihr um den Mund, um das Geräusch zu unterdrücken, doch dann bekam sie Angst, dass Kathy ersticken könnte, und nahm es wieder weg. »Sei still!«, zischte sie. »Hast du mich verstanden? Wenn du noch einen Mucks machst, bring ich dich auf der Stelle um.

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