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Weil du fehlst (German Edition)

Weil du fehlst (German Edition)

Titel: Weil du fehlst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Frey
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schlafen, zurzeit schläft sie ziemlich gut. Also, was meinst du? Du würdest uns wirklich einen Riesengefallen tun.«
    »Okay«, sagte ich, und Mr Rosen lächelte mir dankbar zu. Eilig diktierte er mir seine Handynummer, für alle Fälle, und wir vereinbarten, dass er mich am frühen Abend zu Hause abholen und später auch wieder nach Hause bringen würde.

    Der Abend bei Rosens :
    1. Das Baby: rothaarig wie Mrs Rosen und wirklich niedlich. Als ich zusammen mit Mr Rosen ins Haus kam, brachte Mrs Rosen es gerade ins Bettchen, aber sie zeigte mir noch alles Wichtige im Kinderzimmer, und für einen Moment gab sie mir die Kleine zum Halten. »Lucilla, das ist Kassandra. Sie ist so lieb und passt heute Abend auf dich auf, während Mummy und Daddy ausgehen.«
    2. Das Haus: klein, nicht sehr ordentlich, aber trotzdem schön eingerichtet. Man sieht auf den ersten Blick, dass es das hat, was unserem Haus in der Sunland Road fehlt: beständige Menschen, keine Weltenbummler. Knapp formuliert: Die Rosens haben viele, schöne, liebevoll arrangierte Besitztümer. Ein Klavier, gerahmte Fotografien. Alte, getrocknete Blumen. Schöne Bücherregale.
    3. Weinblätter: Ehe sie gingen, aßen wir noch eine Kleinigkeit zusammen. Vegetarische, gefüllte Weinblätter, die Mrs Rosen zubereitet hatte. Wir saßen zu dritt am Esstisch, zwischen uns in der Mitte die Schale mit den Weinblättern und das Babyphon, und Mrs Rosen erklärte mir die Basics für den Fall, dass Klein-Lucilla wider Erwarten doch aufwachen würde.
    Dann gingen sie und alles ging gut. Und um kurz vor Mitternacht kamen sie zurück, und Mr Rosen fuhr mich nach Hause.
    »Du warst unsere Rettung heute Abend, Kassandra – danke«, sagte er, als er vor unserem Haus anhielt. Dazu reichte er mir einen Fünfzigdollarschein.
    »Das ist doch viel zu viel. Ich habe doch eigentlich gar nichts gemacht«, sagte ich abwehrend. Aber er bestand darauf.

    … übrigens, mein armer, alter Großvater dreht völlig am Rad, schrieb mir Achmed eines Nachts . Am Rad rückwärts, sozusagen. Seit meine Großmutter tot ist, dreht er total durch und lebt irgendwie in die falsche Richtung. Zuerst ist er im Bett geblieben, tagelang. Und dann fing er an, wieder arbeiten gehen zu wollen. Dabei ist er doch seit Jahren in Rente. Immerzu mussten wir ihn aus der Garage holen, wo er mit dem Auto meines Vaters weg wollte. In die Stadt, in diese Druckerei, in der er früher gearbeitet hat und die seit Jahren zu ist. Dann fing er an, sich aufzuregen, wo alle seine Kinder sind. Also, meine Mutter und ihre Brüder. Er glaubte uns kein Wort, als wir ihm ungefähr eine Million Mal erklärten, dass die alle längst erwachsen sind und überall wohnen. In Izmir, Istanbul, Ankara (meine Mutter) und Deutschland (meine beiden jüngeren Onkel). Hey, Kassandra, bevor ich mal alt, senil und durchgeknallt werde, will ich würdevoll abtreten, echt!
    Achmed unterbrach sein Schreiben an dieser Stelle, warum auch immer, aber am nächsten Tag schrieb er weiter.
    … Bullshit, inzwischen heiratet er gerade wieder. Er hat sich letzte Nacht plötzlich total schnieke angezogen (keiner wusste, dass er seinen alten Hochzeitsanzug glatte fünfzig Jahre aufgehoben hat! Krass, echt!). Okay, das Ding roch penetrant nach Mottenkugeln, glänzte speckig und war ihm viel zu eng – er hat der Einfachheit halber eine Menge Knöpfe offengelassen, aber jetzt sucht er überall nach meiner Großmutter und schreit das ganze Haus zusammen, weil er sie nicht findet (wie auch? Sie ist seit Wochen unter der Erde, Allah Akbar!)
    Meine Mutter hat gerade unseren Hausarzt angerufen. Wenn das so weitergeht, wird mein Großvater morgen vermutlich zurück zum Militär wollen, dann zur Schule und in sein verschnarchtes Heimatdorf am Bosporus, wo er als Kind gespielt hat. Und zu guter Letzt wird er vermutlich wieder herumkrabbeln und nach Babybrei verlangen …
    Ich starrte den Bildschirm meines Laptops an.
    Rückwärts.

    Ein Wort : Rückwärts.
    Ein Gefühl : Ein Kribbeln in meinem Inneren. Irgendwo tief in mir.
    Noch ein Gefühl : Kälte.
    Und noch eines : Leere.

    In dieser Nacht ging ich ebenfalls rückwärts. Aber nicht geordnet rückwärts wie Achmeds Großvater, sondern konfus rückwärts. Meine Einschulung in eine Grundschule in Milwaukee. Edgar, Rabea und Oya winken mir von ihren Plätzen aus zu, als ich vorne auf der geschmückten Bühne bei den anderen aufgeregten Erstklässlern stehe. Gute Mrs Cardasis. Sie brachte mir Lesen und Schreiben

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