Weil du fehlst (German Edition)
während der Fahrt mit dem Babysitter. Im Hintergrund konnte ich das Baby weinen hören.
»Wir wohnen gar nicht so weit auseinander«, beruhigte mich Mr Rosen und bog vom Highway ab. »Unser Haus ist in der Hurlbut Street. Das ist ganz in der Nähe des John-Ashley-Hauses. Weißt du, wo das ist?«
Ich war mir nicht sicher, aber ich nickte trotzdem, und Mr Rosen lächelte mir durch den Spiegel hindurch zu.
Es war schon spät, und es dauerte nicht lange, da bogen wir in die Sunland Road ein.
»Danke noch mal«, sagte ich und stieg aus.
Zu Hause traf ich Rabea. Und ein paar Minuten später setzte Brendan Oya ab.
Ich ging rasch in mein Zimmer und sah nach meinen Mails. Achmed hatte mir geschrieben.
… bin schon wieder eine Weile in Ankara. Die Beerdigung war traurig, mein Großvater und eigentlich auch alle anderen haben sehr geweint. Es war ein riesiges Familientreffen. Fast zweihundert Verwandte. Sorry, dass ich mich ein paar Tage nicht gemeldet habe. – Wie geht es dir, Weltenbummlerin? Was ist mit deiner Wolke? Geht es dir besser?«
Darius hatte ebenfalls geschrieben.
»Hey! Die Red Sox haben gewonnen! Ein Superspiel! Wenn du noch wach bist, ruf an!«
Ich rief ihn nicht an. Stattdessen suchte ich im Internet nach der Rufnummer von Ian und Amanda Fish, meinen Großeltern.
Neun Worte :
1: Erinnerst 2: du 3: dich 4: an 5: mich 6: Amanda? 7: Ich 8: bin 9: Kassandra.
Eine Feststellung : Sie wohnten nicht mehr in Weston in Connecticut. Dort ist Rabea aufgewachsen. Sie wohnten jetzt, wie es aussah und wenn man der Onlineauskunft vertrauen durfte, in Fairview, einem kleinen Ort in Maine.
Internetauskunft :
Mr Ian Albert Fish; 427 New Hampshire Road; Fairview; Maine.
Es gab noch ein paar andere Ian Fishs, aber nur bei der Adresse in Maine stand als Zusatz: A. Fish.
«Kassandra? Kassandra, bist du das?«
«Ja.«
»Um Himmels willen. Ist etwas passiert? Mit deiner Mommy? Oder mit Oya?«
»Nein.«
»Gott sei Dank.«
Amanda Fish. Ehemals Lehrerin für Vorschulkinder in Weston, Connecticut. Ehemals Rabeas Mutter. Ehemals meine und Oyas Großmutter. Verschollen in Rabeas Bermudadreieck. In Rabeas Nirvana. Warum auch immer.
Ich schluckte, und mein Hals war wie zugeschnürt.
»Kassandra, ich freue mich so. Wirklich. Himmel, dein Anruf kommt unerwartet.«
Ich schwieg immer noch.
»Wie geht es euch? Seid ihr endlich zurück? Ich sehe im Telefondisplay, dass du aus den Staaten anrufst. – Wo habt ihr gelebt in den letzten Jahren?«
Ich dachte an die zurückliegenden Jahre, an Edgar, Sergio, Jérôme, an Milwaukee, Stromboli, Paris, an unser ganzes, verrücktes Leben hier und dort und überall, und auf einmal musste ich weinen.
»Liebling, Kassandra!«, sagte Amanda Fish erschrocken. »Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?«
Nein, nichts war in Ordnung. Da war eine Leere in mir, die ich vergessen und wiedergefunden hatte. Und irgendwie, warum auch immer, hatte sie mit Darius Seaborn zu tun. Und auch mit Amanda Fish, Rabeas Mom, meiner Großmutter.
Wie sah sie aus? Wie alt war sie? Lebte mein Grandpa noch? Warum rührten sie sich nie?
»Kann ich mal kommen? Ich würde euch … gerne wiedersehen.« Ich hatte sehr leise gesprochen, und einen Moment war ich sicher, dass sie mich nicht verstanden hatte.
Amanda Fish weinte plötzlich auch, und während sie weinte, sagte sie, dass ich jederzeit willkommen sei. Sie hatte mich verstanden.
»Weiß deine Mom, dass du … uns angerufen hast?«, fragte sie zum Schluss.
»Nein«, sagte ich wahrheitsgemäß. Sie sind engstirnig, borniert, aggressiv , hatte Rabea gesagt .
»Ich verstehe«, sagte Amanda und seufzte.
Sie verstand? Ich verstand nichts.
Aber die Wahrheit schlich sich an mich heran.
»Geht es dir wieder gut?«, fragte Selma besorgt am anderen Tag in der Schule. »Stell dir vor, Milt Bennett hat den Poetry Slam gewonnen. Ich treffe mich am kommenden Samstag mit ihm. Wir versuchen es noch mal und gehen aus.«
»Wenn du Kummer hast, kannst du dich jederzeit an mich wenden. Ich bin nicht umsonst Vertrauenslehrer. In Ordnung?«, fragte Mr Rosen und sah mich prüfend an. Seine braunen Augen warfen mir einen warmen Blick zu, wenigstens kam es mir so vor.
»Warum bist du so mies drauf?«, fragte Oya und runzelte misstrauisch die Stirn, während sie Billyboys Bauch nach Neuverschlucktem abtastete, weil er sich schon wieder übergeben hatte.
»Wollen wir am Samstagabend was zusammen machen?«, fragte Darius vergnügt und bat gleichzeitig Brendan,
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