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Weil du fehlst (German Edition)

Weil du fehlst (German Edition)

Titel: Weil du fehlst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Frey
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elend.
    Ich fuhr mir mit allen Fingern durch die zerzausten Haare.
    Mehr konnte ich nicht tun.
    Und im Grunde war es auch völlig egal, wie ich aussah.
    Was hatte ich noch zu verlieren?

    Duden Bedeutungswörterbuch – Lüge: bewusst falsche, auf Täuschung angelegte Aussage; absichtlich, wissentlich geäußerte Unwahrheit.

    »Na, dann guten Appetit, Kassandra.«
    »Ja … Danke. Auch guten Appetit … Und vielen, vielen Dank, dass Sie so – einfach gekommen sind …«
    Mr Rosen lächelte mir zu. »Ist das nicht verrückt? Als du anriefst, dachte ich natürlich, du wärst zu Hause in Great Emeryville, fünfhundert Meilen weit weg. Da hätte ich für den Moment wenig tun können, aber als du mir sagtest, dass du ebenfalls hier oben in Maine bist, war es doch klar, dass ich komme und dich einsammle …«
    Ich aß vorsichtig ein paar Gabelspitzen voll Salatsprossen.
    »Aus Fairview stammt übrigens mein bester Freund«, erzählte Mr Rosen. Ich war froh, dass er noch nicht wieder nachgehakt hatte, was eigentlich mit mir los war. Ich betrachtete ihn unauffällig. Seine honigfarbenen Haare waren viel lockiger heute als sonst in der Schule. Wahrscheinlich kam das von der feuchten Meeresluft. Meine Haare zerzauste sie nur, aber Oya bekam auch schöne Locken, wenn sie sich eine Weile am Meer aufhielt.
    »Er heißt Mateo«, fuhr Mr Rosen fort. »Auch ein Kinderzeitfreund. Wir machen Musik zusammen. Darum bin ich auch derzeit in Old Town. Wir treffen uns dort immer mal wieder, um zusammen Musik zu basteln, sozusagen. – Mateo, Zizmo und eben ich.«
    Und dann fragte er doch.
    Was ist dir passiert, Kassandra?
    Und wieder musste ich weinen.
    Mr Rosen legte seine Hand auf meine. Wieder war seine warm und meine kalt.
    Die sommersprossige Kellnerin brachte mir eine Schachtel Kleenex und ein Glas warme, schaumige Milch.
    »Geht aufs Haus«, erklärte sie und lächelte mir tröstend zu. »Nicht vergessen, was immer dich bedrückt, am Ende des Tunnels ist Licht. Garantiert.«
    Damit schritt sie davon, um ein paar anderen Leuten, die gerade zur Tür hereinkamen, einen Tisch vorzuschlagen. Die Leute lachten und brachten einen Schwall Kälte von draußen und jede Menge laute, gute Laune mit. Ich hätte mich am liebsten in einem dunklen Mauseloch verkrochen. In winzigen Schlucken trank ich meine Milch.
    »Irgendwohin, wo es ruhiger ist«, sagte Mr Rosen hinterher entschlossen, bezahlte unser Mittagessen und legte, als wir nebeneinander hinausgingen, für einen Moment seine Hand auf meinen verspannten Rücken. In seinem Portemonnaie war ein Foto von seiner Frau gewesen. Und eins von seiner kleinen Tochter. Das hatte ich gesehen, während er die Rechnung beglich und der Sommersprossigen ein großzügiges Trinkgeld überließ.

    Das Haus in Old Town lag ebenfalls nah am Meer. Und es war ähnlich klein wie das Haus meiner Großeltern. Allerdings sah es so aus wie Ian und Amandas Haus wahrscheinlich einmal ausgesehen hatte, ehe sie begonnen hatten, es zu renovieren und auf Vordermann zu bringen.
    »Es heißt Rowan «, sagte Mr Rosen und parkte am Giebel von House Rowan. »Nach den vielen Ebereschen, die es hier gibt. Und es gehört meinem Freund Zizmo. Im Moment ist aber keiner da. Wir trinken einfach einen Tee und du erzählst, wenn du magst, was los ist. Reden erleichtert unheimlich. Aber das weißt du ja selbst.«
    Wir gingen hinein. Es schneite wieder.
    »Und irgendwann solltest du dann mal in Fairview anrufen und deinen Großeltern sagen, dass du okay bist. Sie sorgen sich bestimmt um dich.«
    Aber ich war nicht okay. Und an Ian und Amanda zu denken verursachte mir Übelkeit im Moment. So viele Lügen …
    Die Dielen knarrten unter unseren Füßen, und wir betraten ein kleines, vollgestopftes Wohnzimmer. Allerdings sah es eher wie ein Musikstudio aus. Ich sah einen in die Jahre gekommenen Flügel, ein Schlagzeug, ein Saxophon, eine Klarinette, einige Notenständer. In den hohen Regalen, die die Wände säumten, stapelten sich Notenhefte. Außerdem gab es Mikrophone und Geräte, die wie Computeraufnahmegeräte aussahen. Zwei aufgeklappte, aber ausgeschaltete Laptops standen auf einem niedrigen Tisch. Kabelknäuel lagen zwischen ihnen.
    Mr Rosen brachte heißes Wasser in einer Thermoskanne, zwei leicht angeschlagene Becher mit Henkeln und ein paar lose Teebeutel aus der Küche, die, wie es aussah, im Nebenraum untergebracht war.
    Dann saßen wir auf einem uralten Sofa, tranken Tee mit Honig (Mädchen essen Honig, Männer

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