Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weil du fehlst (German Edition)

Weil du fehlst (German Edition)

Titel: Weil du fehlst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Frey
Vom Netzwerk:
und sehr aufgeregt …«
    Ich drehte mich nicht mehr um, ich verließ einfach das Haus, trat hinaus in die Nässe, öffnete Mrs Wards Wagen, stieg ein und fuhr los.
    Ich fuhr eine halbe Ewigkeit, ohne wirklich etwas wahrzunehmen. Irgendwo, irgendwann hielt ich an. Der Himmel war wieder bleigrau, vor mir war nichts als schneematschige Weite. Schnee und Himmel und das Meer verschmolzen in der Ferne, die Wolken hatten sich zu einer einzigen, tiefgrauen Masse geballt, und die Landschaft darunter war nichts weiter als Schatten, Düsternis und Nässe.
    Warum konnte ich nicht weinen?
    Zuerst Len …
    Und jetzt das.
    Wo war überhaupt Sterling Heights ? In Massachusetts, hatte Ian gesagt. In Massachusetts …
    Mit zitternden Fingern wühlte ich mein Handy aus der Tasche und schaltete es ein. Eine Menge Nachrichten warteten dort auf mich: Fünf Mal Rabea. Sieben Mal Oya. Drei Mal Zelda Ward. Zwei Mal Darius.
    Sprachnachrichten auf meiner Mailbox und SMS, bunt gemischt.
    Ich biss mir auf die Lippen, ich zitterte am ganzen Körper, dabei fror ich nicht so sehr äußerlich – das, was mich zittern ließ, war in mir. Tief in mir. Und dabei hatte ich das Gefühl, nicht nur nicht weinen zu können. Nein, ich konnte nicht weinen, nicht denken, nicht schreien. Ich konnte gar nichts.
    Alle diese Nachrichten würden warten müssen. Warten, bis …? Ich hatte keine Ahnung, bis wann. Bis ich sicher sein konnte nicht durchzudrehen. Aber war man davor jemals sicher? Beziehungsweise: War ich davor jemals sicher, nach dem, was Ian mir vorhin berichtet hatte?
    Meine eisigen Finger drückten schließlich drei Tasten.
    Telefon.
    Kontakte.
    Mr Rosen Mobil.

    »Kassandra?« (Seine Stimme klang überrascht und im Hintergrund rauschte es so laut, dass er nur schwer zu verstehen war.)
    »Ja …«
    Meine kalte Hand umklammerte das Handy.
    »Kassandra? Bist du das?« (Anscheinend hatte er ebenfalls Mühe, mich zu hören, aber er sah natürlich meine Rufnummer in seinem Handydisplay.)
    »Ja …«
    »Hallo? Ist alles in Ordnung bei dir? Ich kann dich kaum verstehen. Warte mal einen Moment … So, jetzt müsste es besser gehen. Ich bin am Meer unterwegs, und es ist schrecklich windig. So, ich habe mich jetzt untergestellt.«
    (Am Meer? Ach ja, Mr Rosen war ja ebenfalls verreist. Das hatte ich ganz vergessen. War er nicht sogar ebenfalls … in Maine?)
    »Kassandra?«
    »Ja …«
    Ich musste mich zusammenreißen, aber ich schaffte es nicht. Und plötzlich fing ich an zu weinen, aber nicht normal zu weinen, nein, ich weinte ganz fürchterlich, und meine Tränen und eine Menge Schleim aus meiner Nase tropften aus meinem Gesicht und fielen auf meine Knie hinter Mrs Wards Steuer. Andere liefen an meinem Handy entlang und an meiner Hand und in meinen Pulliärmel hinein. Auch das Lenkrad wurde nass und schmierig.
    »Himmel, Kassandra! Was ist passiert? Brauchst du Hilfe? Wo bist du denn?«
    Mr Rosens Stimme klang erschrocken und besorgt.
    Ja, ich brauchte Hilfe. Und was passiert war?
    »Können Sie – vielleicht zu mir kommen?«, flüsterte ich verzweifelt. Ich dachte an seine beruhigenden, braunen Augen, an seine Ruhe, an seine warme Hand, die er mir nach dem Babysitten immer zum Abschied reichte.
    Einen Moment lang war es still in der Leitung, still bis auf Windrauschen und Verbindungsrauschen.
    »Wo steckst du denn, Kassandra?«, erkundigte sich Mr Rosen schließlich. »Ich vermute nämlich, dass ich viel zu weit weg bin, um …«
    »In Maine«, flüsterte ich kraftlos.
    »In Maine?«, wiederholte der Vertrauenslehrer der Woodrow-Wilson-Highschool perplex.
    »Ja …«, sagte ich leise.
    »Tatsächlich? – Und wo genau dort?«
    Ich schaute aus dem Fenster hinaus zu Meer, Wolken, Nebel, Möwen, Nässe, Regen.
    »Ich weiß es nicht«, gab ich zu und weinte weiter.
    »Und was machst du überhaupt in Maine?«, hakte Mr Rosen verwirrt nach. »Ich bin nämlich ebenfalls dort … In Cumberland, genauer gesagt. Eigentlich besuchen Virginia, Lucilla und ich dort meine Schwiegereltern, aber für die nächsten drei Tage bin ich in Frenchville …«
    »Ich habe meine Großeltern besucht. In Fairview, aber …« Mehr konnte ich nicht sagen, wieder fing ich an zu weinen.
    Und dann kam er. Er fuhr bis Fairview, weil er sagte, das wäre gut und schnell zu schaffen von Old Town aus, und dann dauerte es nicht mehr lange, bis er da war. Ich war ein paar Meilen westlich von Fairview gelandet, vom Auto aus konnte ich einen modernen Leuchtturm und in der

Weitere Kostenlose Bücher