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Weil du fehlst (German Edition)

Weil du fehlst (German Edition)

Titel: Weil du fehlst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Frey
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zweites Paar Hosenbeine heraus, er trug bunte Wollsocken und darüber gefütterte Hausschuhe, dazu unter seinem Sweatshirt einen weiteren Pulli aus Wolle. Um den dünnen Hals hatte er einen Schal. Er sah aus wie ein verrückter Greis, nur dass sein Gesicht nicht faltig, sondern glatt und merkwürdig starr und entrückt war.
    »So ist er immer seit damals«, beantwortete Marjorie meine Frage in diesem Moment. »Er … kann nicht ertragen, was … mit Len … geschehen ist. Er kann nicht leben, aber auch nicht sterben. Er tut nichts mehr aus eigenem Antrieb. Gar nichts, Kassandra. Er ist hier, seit damals der …Unfall passiert ist.«
    Mein Vater murmelte leise.
    »Was hat er gesagt?«, flüsterte ich erschrocken.
    »Er spricht nie verständlich«, fuhr meine Großmutter fort, und ich stand in diesem Orangenduft und hatte das Gefühl, jeden Moment zusammenzubrechen.
    »Rabea …«, sagte ich schließlich benommen. »Rabea?«
    Es war mehr eine Frage, die ich aber nicht stellte.
    Marjorie beantwortete sie trotzdem.
    »Deine Mom hat … ihn nicht mehr ertragen. Zuerst dachte sie, dachten wir alle, er käme aus dieser Starre, dieser Lähmung wieder heraus, aber das passierte nicht. Bis heute nicht. Irgendwann ist sie dann mit euch davongegangen. – Vielleicht wollte sie euch schützen, wer weiß das schon genau. Vielleicht nicht mal sie selbst. Aber es hat mir weh getan, als sie ging. Schrecklich weh getan. – Und ich weiß nicht … ob ich ihr das je verzeihen kann.«

    Rabea, die den Psychiatriewändejob kaum ausgehalten hatte … Plötzlich ergab es Sinn. Ebenso Ians und Amandas Entsetzen über das, was ihre Tochter da getan hatte. Raymond im Stich zu lassen, während er durch die Hölle ging, einfach fortgehen, egoistisch sein. Oder feige. Was auch immer.
    »Dad?«, hörte ich mich ängstlich sagen. Und dann berührte ich seine schlaffe, leblose Hand. Marjorie drehte sein Gesicht mit ihren Händen sanft in meine Richtung.
    »Raymond«, bat sie leise. »Raymond – Kassandra ist da! Siehst du sie? Sie ist deine Tochter, Raymond. Kannst du sie erkennen?«
    Aber das tat er nicht. Er sah mich nicht. Er erkannte mich nicht. Er saß einfach nur reglos da und schaute still vor sich hin.

    In mir war eine kaum zu ertragende Schwere.
    »Bitte – nicht nach Hause. Nicht zu meiner … Mutter«, sagte ich leise und schnallte mich an. Mehr sagte ich nicht.
    Und Mr Rosen? Er sagte nur ebenso leise: »Oh, Kassandra.«
    Und ebenfalls nicht mehr. Lange fuhren wir schweigend in Mrs Wards altem Chevy durch die Dämmerung und dann durch Dunkelheit über die Interstate, die voller lauter, eiliger Trucks war, die sich immerzu an uns vorbeidrängelten, in einer nicht enden wollenden, lärmenden Kette.
    Marjorie und Myron hatten uns, als wir aufbrachen, noch zum Parkplatz begleitet. Leere Worte waren gewechselt worden, die ich sofort wieder vergas. Phrasen, mehr nicht. In meinem Kopf war ein schrilles Summen.
    Irgendwann, als die Nacht hereingebrochen war, erreichten wir Great Emeryville. Unglaublich, was alles passiert war, seit ich vor ein paar Tagen von hier aus losgefahren war.
    Zwischendurch hatte Mr Rosen kurz mit seiner Frau telefoniert. Aber erst, nachdem er ein paarmal vergeblich versucht hatte, mich zu einem Imbiss zu überreden. Ich saß mit geschlossenen Augen da, gefangen von diesem Summton in meinem Kopf, und Mr Rosens Worte erreichten mich kaum. Ja, wir waren dort – alles nicht einfach – eine furchtbare Sache – sie ist natürlich sehr mitgenommen … Satzfetzen.
    Wir verließen den Highway, aber anstatt Richtung Stadt zu fahren, lenkte Mr Rosen den Wagen um die Stadt herum zum nahen Fluss.
    »Kennst du die Rote Fabrik?«, fragte er mich.
    Ich nickte mit meinem bleischweren Kopf. Die Rote Fabrik war ein ehemaliger Fabrikkomplex aus dem vergangenen Jahrhundert, rot deshalb, weil sie aus roten Backsteinen gebaut war. Sie lag unmittelbar am Phoenix River in der Valencia Street. Oya und ich waren mal dagewesen, weil es in besagter Valencia Street einen ziemlich guten Kleidung-per-Kilo-Shop gab. Heute war in der Roten Fabrik ein alternatives Theater untergebracht. Und eine kleine, private Musical-Schule. Und solche Sachen. Kneipen, ein etwas schäbig aussehender Buchladen, eine Steppschule. Selma und Gretchen tanzten dort, das hatte Mercedes mir mal erzählt.
    »Ich habe noch ein kleines Appartement da. Sozusagen aus Collegetagen konserviert. Zusammen mit Mateo. Ich zeig’s dir mal. Vielleicht ist es

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