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Weil du fehlst (German Edition)

Weil du fehlst (German Edition)

Titel: Weil du fehlst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Frey
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wieder.«
    »Wieso Mr Rosen? Was hat der denn mit dem Auto deiner Mutter zu schaffen?«, fragte Darius verwundert und warf mir einen Blick zu. Er ist kein großer Fan von Zelda Ward. Sie ist ihm zu träge, zu schwerfällig, zu verfressen und so weiter.
    Ich wich Darius’ Blick aus und hörte stattdessen Zelda zu, wie sie es erklärte: Mr Rosen, zufällig ebenfalls in Maine, weil auf traditionellem Familienbesuch, wie er mich eingesammelt und mir – ganz der gute Vertrauenslehrer – zur Seite gestanden hatte in Sterling Heights.
    Ich spürte ein heißes Ziehen in meinem Bauch. Oh, Elija.
    Hastig schob ich eine DVD in das Abspielgerät. Die Royal Tenenbaums . Ein Film, den Oya mochte und den ich noch nicht kannte. Er hatte auf dem Tisch gelegen, als ich nach Hause gekommen war. Ein Film über eine Familie voller Wunderkinder. Sergio hatte ihn Oya zum fünfzehnten Geburtstag aus Stromboli geschickt.
    He, Kassandra, bist du mir untreu geworden? Ich sehe, du bist noch online, aber du schreibst nicht mehr … , beschwerte sich Achmed zwischendurch.
    Sorry, melde mich später! , schrieb ich zurück und klappte den Laptop zu.
    »Bist du sicher, dass er nicht den Taliban oder ähnlich Wahnsinnigen angehört?«, hakte Darius skeptisch nach.
    »Ja«, sagte ich. Und bekam Kopfschmerzen.

    Schule. Und Sonnenschein. Und blauer Himmel. Und das Ende Januar. Wahnsinn.
    Rabea war wieder bei ihren Strafgefangenen.
    »Ich mag sie. Sie sind laut, böse, wild, fordernd«, hatte sie mir gestern unvermittelt erklärt, während sie sich zum Losgehen fertigmachte. Es war der erste ruhige Satz seit unserem Spießrutengebrüll, Geweine, Geschweige. »Sie wollen etwas. Leben. Da sein. Über sich selbst bestimmen. Einen Platz auf dieser Welt. – Damit kann ich umgehen. Verstehst du, Kassandra?«
    Sie sprach mit keinem Wort von Raymond, aber sie dachte an ihn. Und ich auch.
    Marjorie hat mir zum selben Thema geschrieben und mich eingeladen wiederzukommen. In den nächsten Ferien. Oder wann immer ich Zeit hätte. Myron würde mich angeblich auch gerne wiedersehen. Und dann war da natürlich – mein Vater. Marjorie schrieb, dass sie ganz in der Nähe von Sterling Heights ein kleines Haus habe, seit Geoff, ihr Mann, gestorben sei. Warum hatte sie Raymond eigentlich nicht bei sich aufgenommen, schoss es mir durch den Kopf.
    »Elija, jetzt, wo ich ihn wiedergefunden habe, verliere ich ihn endgültig. Meine Erinnerungen verschwinden hinter dem heutigen Raymond, wie er dasaß und mich nicht sah.«
    Ich hatte es getan. Ich war in der ersten Pause am ersten Schultag nach den Winterferien hinauf zu Elija in sein privates Arbeitszimmer gegangen. Fast alle Lehrer hatten so ein Kabuff, wie die Schülerwelt diese kleinen Räume im Hauptbau oben unter dem Dach nannten.
    Ich sagte den Satz über Raymond ohne Einleitung, weil ich keine hatte. Mein Herz klopfte zum Zerspringen. Elija saß über einen Stapel Hefte gebeugt. Als er mich sah und hörte, fuhr er zusammen, sprang auf, spähte in den leeren Flur hinaus, zog mich dann herein und schloss hastig die braune Tür hinter uns.
    Seine Hand war immer noch an meinem Arm, und ich roch den Duft seines Aftershave. Seine hellbraunen Augen sahen heute alles andere als beruhigend aus. Stattdessen nur erschrocken und unglücklich. Unter seinen Augen waren ungewohnte, dunkle Schatten.
    »Kassandra …«, sagte er schließlich, aber da hatte er meinen Arm längst losgelassen.
    »Ja?«
    »Oh, Kassandra …«
    Wir sahen uns an. Würde er etwas sagen? Oder ich?
    Er.
    Besser so.
    Meine Kehle war wie zugeschnürt auf einmal.
    »Virginia und Lucilla sind wieder da. – Virginia … lässt dich grüßen.«
    Ein schwerer Satz. Zu sagen und ihn sich anzuhören.
    Wir sahen uns immer noch an. Elija hatte einen Schweißfilm an den Schläfen. Wie die Jungs im Sportunterricht. Ich starrte darauf und hätte seine Schläfen gerne berührt mit meinen Händen, meinen Fingerspitzen, aber ich tat es nicht. Es war verboten, wieder verboten, das spürte ich deutlich an jedem Atemzug, der sich zwischen uns bewegte.
    »Kassandra, ich mache mir solche Vorwürfe«, sagte Mr Rosen schließlich leise. »Ich … ich … hätte das niemals tun dürfen. Ich fühle mich hundeelend. Ich habe Angst, dass du denkst, ich hätte deine Schwäche und deine Traurigkeit ausgenutzt, um mit dir … also, um …«
    Oh, bitte, sprich nicht weiter, dachte ich tonlos.
    Aber den Gefallen tat er mir nicht.
    »… du hast dich an mich gewandt, weil du

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