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Weil du fehlst (German Edition)

Weil du fehlst (German Edition)

Titel: Weil du fehlst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Frey
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ganz gut zum Durchatmen heute Nacht. Schick deiner Mutter bitte eine SMS.«
    Gleich darauf waren wir da. Benommen und steif stieg ich aus dem Wagen. Ein Weg aus abgetretenen Ziegelsteinen führte zum Seiteneingang eines kleinen Anbaus der Roten Fabrik, auf den wir zusteuerten. Der Himmel über uns war schwarz und sternenlos und trostlos.
    Ich lief wie in Trance. Len … Myron … Raymond …
    In meinem Inneren war nichts als Schmerz. – Mein Vater, ein toter Lebender? Oder ein lebender Toter? Ich musste an Oyas Worte am Telefon denken.
    Überhaupt an Oya. Ich fing schon wieder an zu zittern.
    Mr Rosen half mir über die Türschwelle. Und kochte Tee. Und richtete mir ein Bett. Und dann saß er vor mir, seufzte, betrachtete seine Hände, strich mit einem Daumen über den anderen, und irgendwann griffen seine Finger ineinander wie die Zahnräder eines alten Uhrwerks.
    »Was mache ich nur mit dir?«
    »Dass das geht …«, flüsterte ich.
    »Was meinst du?«
    »Dass ein Mensch so leben kann. Leben, ohne zu leben.«
    Mr Rosen nickte traurig.
    »Ich denke, der Tod deines Bruders hat etwas in ihm ganz schrecklich zerbrochen. Vielleicht alles«, sagte er schließlich. »Und es … es steckt immer noch in ihm und hat ihn in das verwandelt, was er heute ist.«
    Ich hob den Kopf.
    »In ein Wrack«, stieß ich hervor. »In ein zitterndes, schlafwandelndes, blickloses Wrack!«
    Dann weinte ich wieder. Und irgendwann lehnte ich mich vor und vergrub mein Gesicht in Mr Rosens Schoß. Zuerst wich er zurück, aber dann legte er seine Hände doch auf meinen Kopf und streichelte meine Haare. Und meine verspannten Schultern. Und dann umarmten wir uns ganz vorsichtig. Mr Rosens lockige, weiche Haare fielen in mein Gesicht. Ich legte meinen Mund auf seinen und hielt mich an seinem warmen, festen Nacken fest. Seine Lippen fühlten sich rau an. Er roch gut, das war mir schon den ganzen Tag aufgefallen.
    Wir lagen jetzt nebeneinander auf dem alten Futonbett, waren einander zugewandt und küssten uns immer weiter. Meine Augen waren geschlossen, und immer noch zitterte ich am ganzen Körper, aber diesmal nicht vor Verzweiflung. Mit aller Gewalt verdrängte ich die Erinnerung an den vergangenen Tag, an Raymond, der mich nicht wahrgenommen hatte, an Marjorie, die müde und alt und resigniert aussah, an Myron, der so harmlos getan hatte.
    Meine Brustwarzen hatten sich aufgerichtet, dass es fast wehtat, und ich schob Mr Rosens warme, gute, vertraute Hand unter meinen Pulli.
    Da sagte er etwas.
    Was Mr Rosen sagte, ehe er Elija wurde :
    »Oh, Kassandra, ich verliere die Kontrolle …«
    Hinterher lagen wir schweigend da. Mein Körper vibrierte immer noch nach diesem – Erlebnis.
    »Oh, Kassandra«, sagte Elija wieder. »Das war Wahnsinn. Das … das hätten wir niemals tun dürfen.«
    Es war Nacht und ich fühlte mich, trotz allem, was ich in den letzten vierundzwanzig Stunden erlebt hatte, glücklich. Noch nie war etwas so eindeutig gut gewesen wie das, was gerade passiert war.
    »Elija …«, sagte ich und hatte Herzklopfen dabei.
    Es war immer noch ziemlich dunkel im Zimmer, aber trotzdem konnten wir uns ansehen. Und das taten wir. Zum ersten Mal, seit wir begonnen hatten, uns zu küssen, sahen wir uns wieder in die Augen.
    »Ich habe die Kontrolle verloren, Kassandra«, sagte Elija zum dritten Mal. Unsere Fingerspitzen berührten sich ganz sachte, streichelten sich, und wieder begannen wir uns zu küssen, viel heftiger noch als beim ersten Mal. Ich schaute ihn an, erschrocken über die Gefühle, die das Küssen in meinem ganzen Körper auslöste, und plötzlich sah ich etwas in seinen Augen. Eine Sehnsucht, vielleicht? Konnte das sein? Und indem wir ein zweites Mal zusammen schliefen, vergegenwärtigte ich mir, dass das, was eben passiert war, nicht bloß ein Traum gewesen war.

    »Ich … fahre dich jetzt nach Hause«, sagte Mr Rosen, nein – sagte Elija am Morgen, gleich im ersten Tageslicht. Er lächelte nicht mehr wie in der Nacht, im Gegenteil, sein Mund war eine dünne Linie wie sonst nur Rabeas Mund. Er hatte sich außerdem rasiert und seine Haare gebändigt.
    »In … Ordnung«, erwiderte ich leise. Bücherregale, auch hier ein Klavier, Notenhefte, ein Bild von Virginia und Lucilla, auf dem beide lachen. Ich sah es an, und Elija sah es an. Die Kaffeemaschine machte sprotzende Geräusche. Es war Tag. Es war der Tag danach. Der Tag nach Raymond, der Tag nach Elija.
    Ich hatte das Gefühl, ihn immer noch in mir zu

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