Weil Ich Euch Liebte
warum konnte ich dann am nächsten Tag nicht zu dem von deiner Frau gehen?«
»Es war einfach zu viel für dich«, sagte ich. »Du bist doch fast noch ein Kind. Das soll keine Beleidigung sein. Wenn man älter wird, kann man mit solchen Sachen leichter umgehen.« Ich versuchte, einen leichteren Ton anzuschlagen. »Man lernt das Multitrauern.«
Sie schniefte. »Ich dachte immer, ich bin die Multitaskerin hier. ›Gib’s Sally, die kann hundert Dinge gleichzeitig erledigen.‹ Anscheinend nicht immer.« Sie tupfte sich noch ein paarmal die Augen ab, dann fragte sie: »Ist Theo erledigt? Wird er hier in der Gegend je wieder einen Auftrag bekommen?«
»Keine Ahnung.«
»Er hat gesagt, du willst ihn fertigmachen.«
Ich stieß einen langen Seufzer aus. »Er hat sich selbst fertiggemacht.«
Da hatte ich offensichtlich das Falsche gesagt. Plötzlich stieß sie ihren Stuhl zurück und stand auf. »Du machst es einem nicht leicht, dich zu mögen, Glen. Manchmal bist du ein richtiger Korinthenkacker. Jetzt müssen wir wegziehen, und ich muss mir irgendwoanders einen Job suchen.« Sie stürmte aus dem Zimmer, doch nicht, ohne einen letzten Pfeil abzuschießen. »Hoffentlich bist du jetzt zufrieden.«
Konnte ich nicht behaupten.
Danach ging Sally nach Hause. Es war ohnehin schon Feierabend. Das Letzte, was sie mir in dürren Worten und knappen Sätzen sagte, war, dass Doug seinen vollbeladenen Pick-up hinter der Lagerhalle geparkt hatte und dann mit Betsy im Infiniti zur Bank gefahren war, bevor sie zumachte, um zu sehen, ob noch was zu retten war. Sally sagte, Doug habe sie gebeten, mich zu fragen, ob ich vielleicht das Zeug von seinem Wagen abladen könnte, wenn ich Zeit hätte.
Ich stützte den Kopf in die Hände und blieb eine Weile so sitzen. Dann zog ich die unterste Schublade meines Schreibtischs auf, holte die halbvolle Flasche Dewars und ein Schnapsglas heraus und schenkte mir ein. Ich stöpselte sie wieder zu und stellte sie in die Schublade zurück.
Ich stürzte den Whisky hinunter und ging dann zur Lagerhalle. Viel gab es nicht, was ich für Doug in seiner momentan aussichtslosen Situation tun konnte, aber ihn seine und Betsys Einrichtung hier einstellen zu lassen war wenigstens etwas. In der Halle war viel Platz, und wenn man die Sachen vernünftig stapelte, würden sie niemanden stören. Den ganzen Kram jetzt abzuladen, hieße für Doug eine Sorge weniger, wenn – und falls – er morgen zur Arbeit erschien.
Die Sache mit Doug lag mir im Magen. Gelegentlich gab es Spannungen zwischen uns, insbesondere in letzter Zeit. Als mein Vater noch lebte, hatten wir mehrere Jahre Seite an Seite gearbeitet als mehr oder weniger Gleichgestellte. Und wir hatten nicht nur miteinander gearbeitet, wir hatten auch gemeinsam gespielt. Alles von Golf bis Video. Unsere Frauen hatten sich gegenseitig bedauert, während ihre erwachsenen Ehemänner einen ganzen Nachmittag hochkonzentriert mit Super Mario verplemperten. Und zum Beweis, dass wir keine Kinder mehr waren, hatten wir uns dabei auch gleich betrunken. Doug war immer schon ein Bruder Leichtfuß gewesen, der keinen Sinn darin sah, sich um den nächsten Tag zu sorgen, wenn er doch davor eine ganze Nacht zum Schlafen hatte. Das Dumme war nur, dass er jemanden geheiratet hatte, der sich noch weniger Sorgen machte. Nicht unbedingt eine ideale Kombination, wie der heutige Tag gezeigt hatte.
Seine Unbekümmertheit den ernsten Dingen des Lebens gegenüber war kein Problem, solange wir zusammenarbeiteten, doch als mein Vater starb, ich die Firma übernahm und Doug auf einmal ein Angestellter und kein Kollege mehr war, änderte sich das. Es begann damit, dass wir nicht mehr als Quartett auftraten. Als ich Firmenchef wurde, konnte Betsy sich nicht damit abfinden, dass sich das Gleichgewicht zu Sheilas Gunsten verschoben hatte. Betsy bildete sich ein, Sheila würde jetzt irgendwie die Frau des Chefs heraushängen lassen, beinahe so, als wäre ich plötzlich zu Donald Trump mutiert und Sheila zu Ivana oder wie seine aktuelle Ehefrau gerade hieß.
Die Eigenschaften, die ich an Doug früher so liebenswert gefunden hatte, brachten mich jetzt gelegentlich auf die Palme. An seiner Arbeit gab es nie etwas auszusetzen, aber es gab Tage, da meldete er sich krank, und ich wusste genau, er hatte einen Kater. Er ging nicht genügend auf die Anliegen der Kunden ein. »Die Leute sehen zu viele von diesen Renovierungsshows«, sagte er oft. »Sie erwarten, dass alles perfekt ist, aber im
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