Weil Ich Euch Liebte
Tages-und Nachtzeit Gewehr bei Fuß stehen. Aber um ganz sicherzugehen, dass George keine Fragen stellte, wartete sie, bis die Lieblingssendung ihres Mannes lief. George liebte Judge Judy. Anfangs hatte Belinda geglaubt, er sei von den verschiedenen Streitfällen so fasziniert – um unbezahlte Mieten, sitzengelassene Geliebte, die Autos zerkratzten, Frauen, die wollten, dass ihre Freunde ihnen die Kaution zurückzahlten, die sie für deren Entlassung aus der Untersuchungshaft hingeblättert hatten. Dann aber war sie zu dem Schluss gekommen, dass es die Richterin selbst war, deretwegen er sich vor die Glotze hockte. Sie hatte es George angetan, ihre natürliche Autorität, die Art, wie sie den Gerichtssaal und alle, die darin saßen, dominierte.
Hätte George Belinda Beachtung geschenkt, wäre ihm wahrscheinlich aufgefallen, dass sie in letzter Zeit eigentlich kaum mehr Termine außer Haus hatte. Der Immobilienmarkt war im Keller. Kein Mensch kaufte. Und die, die verkaufen mussten – zum Beispiel Menschen, die arbeitslos geworden waren und monatelang vergeblich nach einer neuen Arbeit gesucht hatten –, packte die schiere Verzweiflung. Einmal waren es die Krankenhäuser, die massenhaft Betten stilllegten und Krankenpfleger entließen. Dann hieß es im Erziehungsministerium, Lehrer müssten scharenweise entlassen werden. Vertragshändler machten dicht. Sogar bei der Polizei musste man sich wegen Budgetkürzungen von etlichen Mitarbeitern trennen. Nie hätte Belinda gedacht, dass sie einmal den Tag erleben würde, an dem die Leute mir nichts, dir nichts wegzogen. Soll sich die Bank das Haus doch unter den Nagel reißen, uns ist das scheißegal, wir hauen ab. Die packten einfach ihre Sachen und verließen ihr Zuhause. Gut, manche Häuser wollte man ja nicht einmal geschenkt haben. Aber unten in Florida standen ganze Wohnanlagen fast leer, und Interessenten kamen aus Kanada herunter und schnappten sich eine Ferienwohnung im Wert von zweihundertfünfzigtausend Dollar für gerade mal dreißigtausend.
Die Welt versank im Chaos.
Schön wär’s, dachte Belinda, wenn ein kollabierender Immobilienmarkt momentan ihre einzige Sorge wäre.
Noch vor wenigen Wochen hatten fallende Hauspreise, das nahezu völlige Ausbleiben von Kaufinteressenten und fetten Provisionen auf ihrem Bankkonto Belinda schlaflose Nächte beschert. Doch damals musste sie sich wenigstens nur um ihre finanzielle Zukunft Gedanken machen. Wie sie ihr Dach über dem Kopf behalten und die Leasing-Raten für den Acura bezahlen konnte.
Um ihre persönliche Sicherheit hatte sie nicht gefürchtet. Nicht im Traum hätte sie gedacht, dass ihr jemand etwas antun könnte.
Ganz anders als jetzt.
Belinda musste noch einen Weg finden, an die siebenunddreißigtausend Dollar zu kommen. Aber selbst dann wäre sie nur kurzfristig aus dem Schneider. Letzten Endes musste sie sich die gesamten zweiundsechzigtausend Dollar besorgen. Ihre Kreditkarten hatte sie schon mit Bargeldabhebungen von insgesamt zehntausend Dollar ausgereizt, dazu kam noch ein Dispokredit von fünftausend. Und ihren Freunden würde sie auch die achttausend zurückzahlen müssen, die sie beigesteuert hatten. Wenn die noch mal fünfzehn-, zwanzigtausend für ihren Pick-up bekämen und ihr damit unter die Arme greifen würden, wäre das toll, aber irgendwann musste sie auch diese Schulden begleichen. Allerdings stand sie lieber bei ihnen in der Kreide als bei deren Lieferanten.
Die Lieferanten wollten ihr Geld. Das hatten sie Belindas Freunden unmissverständlich klargemacht. Und es war ihnen egal, wessen Schuld es war, dass sie es noch nicht bekommen hatten.
Die Freunde machten Belinda dafür verantwortlich. »Das ist deine Schuld«, erklärten sie. »Mit diesen Leuten legt man sich nicht an. Die wollen dieses Geld von uns, und wir wollen es von dir.«
Belinda hatte versuchte, sich zu verteidigen. »Es war ein Unfall«, sagte sie ihnen immer wieder. »So was passiert halt.«
Ein Unfall? Wohl kaum, hatten sie zu ihr gesagt. Wenn zwei Wagen aus keinem ersichtlichen Grund ineinanderfahren, das ist ein Unfall. Aber wenn einer der beiden Fahrer beschließt, etwas sehr, sehr Dummes zu tun, nun, dann gerät das Ganze in eine gewisse Grauzone, nicht wahr?
Der Wagen ist ausgebrannt, hatte Belinda gesagt. »Was wollt ihr eigentlich von mir, verdammt noch mal?«
Niemand wollte Ausreden hören.
Irgendwie musste sie dieses Geld beschaffen. Ein Grund mehr, das Zeug loszuwerden, das sie noch hatte. Hier ein
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