Weil ich Layken liebe
Möglichkeit, uns an einen unverkrampften Umgang miteinander zu gewöhnen. Außerdem …«, er zieht ein Blatt aus seiner Tasche und schiebt es über den Tisch zu mir rüber, »… würde ich ungern auf eine so brillante Kursteilnehmerin verzichten.«
Es ist der Test von gestern. Ich habe die volle Punktzahl erreicht.
»Es ist okay für mich, in einen anderen Kurs zu gehen«, lüge ich. »Ich verstehe deine Gründe vollkommen.«
»Danke, aber von jetzt an kann es eigentlich nur einfacher werden, oder?«
Ich sehe ihn an und nicke. »Stimmt.«
Dabei stimmt es natürlich überhaupt nicht. Ihn jeden Tag eine ganze Stunde lang zu sehen, wird es mit Sicherheit nicht einfacher machen. Und obwohl mein Kopf weiß, dass es unerträglich hart werden wird, wünscht sich mein Herz nichts sehnlicher, als in seinem Kurs zu bleiben.
Will zerknüllt den Zettel und wirft ihn in Richtung des Papierkorbs, verfehlt ihn allerdings um einen ganzen Meter.Auf dem Weg zur Tür hebe ich ihn auf und lasse ihn in den Eimer fallen.
»Dann bis zur dritten Stunde, Mr Cooper.« Ich sehe aus dem Augenwinkel, wie er die Stirn runzelt, als ich aus dem Raum gehe.
Irgendwie bin ich erleichtert. Ich weiß nicht, wie ich es ertragen hätte, wenn wirklich alles zu Ende gewesen wäre.
»Hey, wo warst du denn gestern?«, fragt Eddie, als wir uns in der zweiten Stunde vor dem Klassenzimmer treffen. »Hast du dich wieder verlaufen?«
»Ich musste im Sekretariat noch ein paar Sachen klären.«
»Du hättest mir wenigstens eine SMS schicken können.« Sie zieht eine gespielt beleidigte Schnute. »Ich hab mir Sorgen gemacht.«
»Kannst du mir noch mal verzeihen, Baby?«
» Baby? Hab ich etwa eine Nebenbuhlerin?« Ein Junge, der mir bisher nicht aufgefallen ist, legt einen Arm um Eddie und drückt ihr einen Kuss auf die Wange.
»Layken, das ist Gavin. Gavin, das ist Layken, deine Nebenbuhlerin«, stellt sie uns vor. »Sie ist auch im Kurs von Mr Cooper.«
Gavins Haare sind genauso blond wie die von Eddie, nur kürzer. Obwohl er dunkelbraune Augen hat und sie blaue, könnten die beiden als Geschwister durchgehen. Als er den Arm von ihrer Schulter nimmt, rutscht der Ärmel seines Hoodies hoch und ich bemerke auf seinem Handgelenk das gleiche schwarze Herz-Tattoo, das auch Eddie hat.
»Hi«, sagt er und streckt mir die Hand hin. »Ich hab schon viel von dir gehört.«
Ich sehe ihn verdutzt an. »Echt?«
»Nein«, gibt er grinsend zu. »Aber sagt man das nicht so, wenn man jemandem vorgestellt wird?«
Er dreht sich zu Eddie und gibt ihr noch einen Kuss. »Wir sehen uns nächste Stunde, Baby .« Er zwinkert mir zu. »Ich muss los.«
Ich beneide die beiden.
Kurz nachdem wir uns gesetzt haben, betritt Mr Hanson den Raum und kündigt an, dass wir heute einen Test schreiben. Ich erhebe keine Einwände, als er mir ebenfalls ein Blatt hinlegt, und so vergeht der Rest der Stunde schweigend.
Während ich Eddie durch das Gedränge der Schüler auf den Fluren folge, spüre ich, wie sich mein Magen immer enger zusammenzieht. Mittlerweile bereue ich es, nicht doch in Russische Literatur gewechselt zu haben. Mir ist schleierhaft, wie Will jemals auf den Gedanken kommen konnte, es würde unsere Situation erleichtern, wenn ich in seinem Kurs bleibe. Als wir das Klassenzimmer erreichen, erwartet er uns an der Tür.
»Hallo, Mr Cooper. Heute sehen Sie schon wieder ein bisschen besser aus«, begrüßt Eddie ihn. »Noch ein paar Pfefferminzdrops gefällig?« Sie setzt sich neben Gavin an ihren Platz in der ersten Reihe.
Als Letzter kommt Javi angetrottet, der sich wortlos an Will vorbeischiebt und auf seinen Stuhl fallen lässt.
»Okay, Leute.« Will schließt die Tür hinter sich. »Ihr habt im Test gestern alle gute Leistungen gebracht, obwohl die theoretischen Grundlagen der Lyrik ein eher trockenes Themasind. Deshalb seid ihr sicher alle froh zu hören, dass wir uns für den Rest des Halbjahres der Praxis widmen. Wir steigen mit einer sehr modernen Form der Lyrik ein, nämlich der sogenannten ›Performance Poetry‹ oder ›Spoken Word Poetry‹, die sich von der traditionellen Lyrik insofern unterscheidet, als ein wichtiges zusätzliches Element dazukommt: der Auftritt vor Publikum.«
»Das ist doch nichts Neues«, sagt Javi gelangweilt. »Das gab’s schon in diesem Film über die toten Dichter, wo sie vor der Klasse Gedichte aufsagen mussten.«
»Nicht ganz«, widerspricht Will. »Im Film haben sie Gedichte von anderen vorgetragen, nicht eigene.«
»Er
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