Weil ich Layken liebe
es beide nicht!«, verteidige ich mich und finde selbst, dass sich meine Stimme übertrieben trotzig anhört.
Mom zieht eine Augenbraue hoch und schüttelt den Kopf, als hätte ich sie beleidigt. »Was hast du dir nur dabei gedacht, Lake? Du weißt, dass er ganz allein für seinen kleinen Bruder sorgen muss. Begreifst du denn nicht, dass das alles zerstören kann, seine gesamte …«
Wir sehen beide zur Tür, als wir hören, wie ein Wagen in die Einfahrt gegenüber fährt. Ich weiß genau, was sie gleich tun wird. Hastig springe ich auf und renne zur Haustür, um ihr den Weg zu verstellen, aber sie ist schneller.
»Mom, bitte! Lass mich doch erst mal alles erklären. Bitte «, flehe ich sie an, während ich ihr über die Straße hinterherlaufe. Will steigt gerade aus dem Wagen und lächelt meiner Mutter entgegen. Sein Lächeln erstirbt, als er mich hinter ihr bemerkt und begreift, dass das kein freundlicher Besuch unter Nachbarn ist.
»Julia, bitte.« Er hebt die Hände, bevor sie etwas sagen kann. »Können wir drinnen darüber reden?«
Mom marschiert wortlos aufs Haus zu und wartet neben der Tür.
Will sieht mich fragend an.
»Dein Bruder hat anscheinend erwähnt, dass du Lehrer bist. Ich hatte keine Chance, ihr irgendwas zu erklären«, flüstere ich.
Er seufzt, schließt die Haustür auf und bittet uns hinein.
Es ist das erste Mal, dass ich bei Will bin, seit er mich hier verarztet hat. Es sieht immer noch genauso aus wie vor einer Woche und trotzdem ist alles anders. Als ich damals an der Küchentheke saß, hatte ich angenommen, Wills Eltern würden einfach noch schlafen. Jetzt sehe ich alles in einem anderenLicht – auch ihn. Er wirkt erwachsener auf mich, wie jemand, der eine große Verantwortung trägt.
Mom lässt sich auf der äußersten Kante der einen Couch nieder, während Will sich auf die ihr gegenüber setzt. Er beugt sich vor, stützt die Ellbogen auf die Knie und faltet die Hände.
»Ich kann das alles erklären, Julia«, sagt er ernst.
»Das will ich hoffen«, antwortet sie ungerührt.
»Im Grunde läuft es darauf hinaus, dass ich voreilige Schlüsse gezogen habe. Ich hatte Layken für älter gehalten. Sie wirkte älter. Als sie mir gesagt hat, dass sie achtzehn ist, habe ich automatisch angenommen, sie würde schon studieren. Anfang des Schuljahres sind die wenigsten Schüler in der zwölften Klasse achtzehn.«
»Sie ist erst seit zwei Wochen achtzehn.«
»Ja, das … das weiß ich inzwischen auch.« Er wirft mir einen Blick zu. »In der Woche, in der Sie hier eingezogen sind, war sie nicht in der Schule, deswegen bin ich überhaupt nicht auf die Idee gekommen, sie könnte noch Schülerin sein. Und aus irgendeinem Grund kam das Thema zwischen uns nie zur Sprache.«
Meine Mutter will etwas sagen, wird aber von einem erneuten Hustenanfall daran gehindert. Will und ich warten, doch der Husten wird eher schlimmer und irgendwann steht sie auf und ringt nach Luft. Wenn ich nicht wüsste, dass sie erkältet ist, würde ich denken, sie hat eine Panikattacke. Will geht in die Küche hinüber und holt ihr ein Glas Wasser. Sie trinkt einen Schluck, dann tritt sie ans Fenster und sieht auf die Straße. Ich höre Caulder und Kel draußen lachen. Mom läuft zur Haustür und reißt sie auf.
»Kel! Caulder! Steht auf. Ihr könnt euch nicht mitten auf die Straße legen!« Nachdem sie die Tür zugemacht hat, wendet sie sich wieder uns zu. »Und wann ist das Thema zur Sprache gekommen?« Sie sieht uns beide an.
Ich bringe kein Wort heraus. Neben den beiden komme ich mir plötzlich wie ein unreifes Kind vor, das stumm dabeisteht, während die Erwachsenen wichtige Dinge besprechen.
»Dass sie noch Schülerin ist, ist mir erst klar geworden, als sie bei mir im Kurs auftauchte«, antwortet Will.
Meine Mutter, die sich inzwischen wieder gesetzt hat, starrt mich mit offenem Mund an. »Du bist in seinem Kurs?« Ihr fassungsloser Blick wandert zu Will. »Sie ist in Ihrem Kurs?«
Gott, aus ihrem Mund hört es sich an wie eine Todsünde.
Mom steht wieder auf und geht im Wohnzimmer auf und ab. Ich weiß, dass sie die Zeit braucht, um zu verarbeiten, was sie gerade erfahren hat.
»Ihr wollt mir also allen Ernstes erzählen, dass ihr vor Lakes erstem Schultag keine Ahnung davon hattet?«, sagt sie schließlich.
Wir nicken beide.
»Und wie geht es jetzt weiter?«, fragt sie, die Hände in die Hüften gestemmt. Will und ich schweigen. Wahrscheinlich hoffen wir, dass sie die Lösung herbeizaubert, nach der
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