Weil ich Layken liebe
wir die ganze Woche über vergeblich gesucht haben.
»Nun ja«, sagt Will irgendwann. »Lake und ich versuchen uns Schritt für Schritt darüber klar zu werden, wie wir in Zukunft miteinander umgehen.«
Sie sieht ihn empört an. »Lake? Sie nennen sie Lake ?«
Will schaut zu Boden und räuspert sich.
Meine Mutter seufzt und lässt sich neben Will aufs Sofa fallen. »Ihr seid euch hoffentlich darüber im Klaren, wie ernst diese Situation ist. Ich kenne meine Tochter, Will, und ich spüre, dass Sie ihr sehr viel bedeuten. Wenn Sie auch nur einen Bruchteil davon für sie empfinden, werden Sie alles tun, um sich von ihr fernzuhalten. Das fängt schon damit an, dass Sie sie auf gar keinen Fall ›Lake‹ nennen dürfen. Es sei denn, Sie wollen Ihren Job gefährden und gleichzeitig Laykens Ruf aufs Spiel setzen.«
Sie steht auf, geht zur Tür, öffnet sie und gibt mir mit einem Blick zu verstehen, dass ich ihr folgen soll. Die Zeit des Fernhaltens hat bereits begonnen.
Kel und Caulder stürmen an uns vorbei Richtung Kinderzimmer. Mom schaut ihnen hinterher. »Der Kontakt zwischen Ihnen und Layken sollte sich auf ein Minimum beschränken«, sagt sie und sieht Will an. »Aber ich fände es schade, wenn Kel und Caulder unter der Situation leiden müssten.«
»Das sehe ich genauso«, antwortet er.
»Gut. Ich habe in der nächsten Zeit ausschließlich Nachtdienste und schlafe vormittags. Wenn Sie die beiden Jungs morgens zur Schule bringen, können Layken oder ich sie nachmittags abholen. Wo sie danach spielen, bleibt ihnen überlassen. Sie fühlen sich ja anscheinend hier wie dort sehr wohl.«
»Das klingt nach einem guten Plan. Danke.«
»Caulder ist ein so lieber Junge.«
»Ich bin sehr froh, dass Sie ihn weiter mit Kel spielen lassen. Ich habe Caulder nicht mehr so glücklich gesehen,seit …« Will beendet den Satz nicht. Als meine Mutter sich zum Gehen wenden will, räuspert er sich. »Julia?«, sagt er leise. »Haben Sie vor, mit der Schulleitung darüber zu sprechen? Ich meine, ich hätte vollstes Verständnis dafür. Ich … wäre nur gern vorbereitet.«
Mom sieht uns eindringlich an. »Zwischen euch ist doch noch nichts passiert, worüber ich die Schule informieren müsste … oder?«
»Was? Nein! Nein, natürlich nicht«, rufe ich und würde am liebsten im Boden versinken. Will schaut mich nicht an, dabei würde ich ihm so gerne wenigstens mit Blicken zu verstehen geben, wie leid mir diese ganze Szene tut.
Sobald Mom und ich draußen auf der Straße stehen und Will die Tür hinter uns geschlossen hat, kann ich nicht länger an mich halten.
»War das wirklich nötig?«, zische ich. »Du hast mir nicht mal die Chance gegeben, dir vorher irgendwas zu erklären!« Ich stürme über die Straße auf unser Haus zu, ohne mich noch einmal umzudrehen, und schließe mich in mein Zimmer ein, wo ich bleibe, bis sie zur Arbeit gefahren ist.
»Layken? Haben wir Kool-Aid?« Kel steht mit Daunenjacke und Moonboots in der Haustür. Da das bei Weitem nicht das Merkwürdigste ist, worum er mich jemals gebeten hat, frage ich nicht weiter nach, sondern hole eine Tüte Kool-Aid-Getränkepulver mit Traubengeschmack aus der Küche und drücke sie ihm in die Hand. »Nein, das ist lila«, sagt er. »Wir brauchen was Rotes.« Ich nehme ihm die Tüte wieder ab und bringe ihm stattdessen eine mit Kirschgeschmack.
»Cool. Danke!«
Nachdem ich die Tür hinter ihm geschlossen habe, hole ich ein altes Handtuch aus dem Wäschekorb und lege es am Eingang als Fußabtreter auf den Boden. Es ist gerade mal neun Uhr morgens und Kel und Caulder spielen schon seit zwei Stunden draußen im Schnee.
Ich setze mich an die Theke, trinke meinen Kaffee und starre die Tüte mit dem Fresskram an, auf den ich keine Lust mehr habe. Mom ist gegen halb acht nach Hause gekommen und hat sich sofort schlafen gelegt. Vor zwei Uhr nachmittags steht sie erfahrungsgemäß nicht auf. Ich bin immer noch sauer auf sie und habe auch heute kein Bedürfnis, mit ihr über irgendetwas zu reden, also bleiben mir noch fünf Stunden, bis ich mich wieder in meinem Zimmer verbarrikadieren muss. Trotz meines mangelnden Appetits auf Süßes verziehe ich mich mit einer Tüte Schoko-Karamell-Bonbons ins Wohnzimmer, wo ich die Vorhänge zuziehe und einen der Filme, die ich ausgeliehen habe, in den DVD-Player einlege. Wenn es einen Mann gibt, der mich von Will ablenken kann, dann Johnny Depp.
Ungefähr eine Stunde später kommt Kel mit klatschnassen Klamotten ins Haus gerannt.
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