Weil ich Layken liebe
gieße die Béchamelsoße darüber.
»Natürlich traue ich dir das zu, Lake. Ich möchte doch nur, dass du halbwegs unbeschwert dein Leben leben kannst, wie es für dein Alter angemessen ist. Ich habe die letzten achtzehn Jahre damit verbracht, auf dich aufzupassen, dich großzuziehen und dir alles beizubringen, was ich weiß. Jetzt ist die Zeit gekommen, wo du selbstbestimmt leben, deine eigenen Erfahrungen und Fehler machen kannst. Wenn du jetzt schon die Verantwortung für ein Kind tragen müsstest, ginge das nicht.«
»Aber manchmal läuft das Leben eben nicht in der chronologisch richtigen Reihenfolge ab«, wende ich ein. »Du bist das beste Beispiel dafür. Wenn der Ablauf immer derselbe wäre, müsstest du nicht vor deiner Zeit sterben, sondern erst mit siebenundsiebzig oder so. Das ist, glaube ich, die durchschnittliche Lebenserwartung für Frauen.«
Sie schüttelt lachend den Kopf.
»Im Ernst, Mom. Ich will die Verantwortung für Kel tragen. Ich will ihn großziehen. Und du weißt genau, dass erbestimmt auch hier bei mir bleiben will. Wir hatten bei allem, was bis jetzt passiert ist, nie ein Mitspracherecht. In diesem Fall musst du uns das einfach zugestehen.«
»Okay«, sagt sie.
»Okay? Okay, du denkst darüber nach, oder okay okay?«
»Okay okay.«
Ich wirble zu ihr herum, umarme sie und drücke sie so fest an mich, wie ich nur kann.
»Lake!«, wehrt sie sich lachend. »Du bekleckerst mich mit Basagnesoße.«
Erst als ich die Arme sinken lasse, merke ich, dass ich noch den Spatel in der Hand halte, mit dem ich eben die Bechamelsoße glatt gestrichen habe.
»Warum kann er nicht bei uns essen?«, fragt Kel, als ich den Jeep in der Einfahrt geparkt und Caulder nach Hause geschickt habe.
»Das habe ich dir doch schon gesagt. Mom muss mit uns über etwas reden.«
Als wir ins Haus kommen, schiebt sie gerade die Basagne in den Ofen.
»Hey, Mom, weißt du was?«, ruft Kel schon von der Tür aus.
»Was denn, Sweety?«
»Unsere Schule macht an Halloween einen Kostümwettbewerb. Und der Gewinner bekommt fünfzig Dollar!«
»Fünfzig Dollar! Das ist eine Menge Geld! Weißt du denn inzwischen, als was du dich verkleiden willst?«
»Nein, immer noch nicht.« Er geht zur Theke und lässt seinen Rucksack auf den Boden fallen.
»Hat deine Schwester dir gesagt, dass ich heute mit euch über etwas reden möchte?«
»Ja. Hätte sie aber nicht extra sagen müssen. Es gibt ja Basagne.«
Meine Mutter und ich schauen ihn erstaunt an.
»Na, immer wenn es Basagne gibt, ist irgendwas Schlimmes passiert. Als Grandpa gestorben ist, hast du welche gemacht. Und als du uns gesagt hast, dass wir nach Michigan ziehen, auch. Und jetzt gibt es wieder welche. Also stirbt entweder jemand oder wir ziehen wieder irgendwohin.«
Mom sieht mich mit großen Augen an. Kel hat unseren ganzen ausgeklügelten Plan über den Haufen geworfen. Vielleicht muss das Gespräch doch früher stattfinden.
Sie setzt sich neben ihn an die Theke. »Du bist auf jeden Fall ein richtig guter Beobachter, das ist mal sicher«, sagt sie.
»Also? Was von beidem ist es?«, fragt er unglücklich.
Mom streicht ihm sanft über die Wange. »Ich habe Lungenkrebs, Kel.«
Er sieht sie einen Moment lang erschrocken an, dann rutscht er vom Hocker, wirft sich in ihre Arme und drückt sein Gesicht an ihre Brust. Sie streichelt ihm zärtlich über den Rücken. Kel weint nicht, sondern bleibt ganz still und bewegt sich nicht, während Mom darauf wartet, dass er etwas sagt.
»Stirbst du?«, fragt er schließlich dumpf in ihren Pullover hinein.
»Ja, Sweety. Ich werde sterben. Aber ich weiß noch nicht,wann. Bis dahin werden wir noch ganz viel Schönes zusammen unternehmen und erleben. Ich habe heute aufgehört zu arbeiten, damit ich mehr Zeit mit euch verbringen kann.«
Ich wusste vorher nicht, wie Kel die Nachricht von Moms Krankheit aufnehmen würde. Mit seinen neun Jahren ist er vielleicht einfach noch zu jung, um die Tragweite wirklich zu begreifen, jedenfalls weint er auch jetzt nicht. Mein Vater ist damals so plötzlich aus seinem Leben gerissen worden, dass die Veränderung sofort für ihn spürbar war.
»Aber was ist, wenn du tot bist? Wo sollen wir dann wohnen?«
»Deine Schwester ist jetzt erwachsen, Kel. Du wirst bei ihr wohnen.«
»Aber ich möchte hier bei Caulder bleiben«, sagt er und hebt den Kopf, um mich anzusehen. »Willst du wieder nach Texas zurückziehen, Layken?«
Ich fühle mich ertappt. Bis zu dieser Sekunde war genau das mein
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