Weil ich Layken liebe
und will, dass ich ihre neuen Ohrringe bewundere.
»Eddie, ich muss sofort gehen!«
Sie sieht mich verwirrt an.
»Ich ruf dich nachher an. Sorry.« Ohne ihre Ohrringe anzuschauen, schieße ich an ihr vorbei nach draußen. »Du hast mich nicht gesehen!«, rufe ich noch.
Als ich um das Gebäude herum nach hinten laufe, stoße ich beinahe mit Javi zusammen. Mein Gott, ist heute etwa der ganze Kurs hier? Hoffentlich hat mich niemand gesehen. Auf gar keinen Fall darf Will mitbekommen, dass ich da war.
»Hey, wohin so eilig?«, fragt Javi, als ich ihm nur kurz zunicke.
»Ich muss sofort nach Hause. Viel Spaß noch und bis morgen«, rufe ich, ohne stehen zu bleiben. Das ist jetzt wirklich nicht der richtige Moment für Geplänkel, schon gar nicht mit jemandem, den ich noch nicht mal besonders mag. Ich will mich nur in meinen Jeep setzen und so schnell wie möglich von hier verschwinden.
»Warte, ich bringe dich zu deinem Wagen«, ruft Javi und läuft mir hinterher.
»Musst du nicht, geh lieber rein. Der Slam hat schon angefangen.«
»Layken, wir sind hier in Detroit. Dein Wagen steht hinter einem Club auf einem dunklen Parkplatz. Ich bestehe darauf, dich zu begleiten.«
»Na gut, aber dann geh bitte ein bisschen schneller.«
»Warum hast du es denn so dermaßen eilig?«, fragt er noch mal.
»Ich bin bloß wahnsinnig müde und muss ins Bett.«
»An der nächsten Ecke ist ein netter Coffeeshop. Hast du vielleicht Lust, mit mir einen Kaffee zu trinken?«, fragt er.
»Nein, danke. Ich brauche jetzt kein Koffein, ich brauche Schlaf.«
Als wir zu meinem Jeep kommen, will ich meinen Schlüssel aus der Tasche nehmen, fasse aber ins Leere. Meine Tasche! Ich habe sie auf der Bank in der Nische liegen lassen. »Scheiße!«
»Was ist los?«, fragt Javi.
»Ich hab meine Tasche mit dem Schlüssel drinnen vergessen.« Frustriert lasse ich mich gegen den Jeep fallen und verschränke die Arme vor der Brust.
»Das ist doch nicht so schlimm. Wir gehen rein und holen sie.«
»Ich will aber nicht noch mal rein. Würde es dir etwas ausmachen, sie mir zu holen?« Ich lächle ihn an.
»Würde ich sofort machen, aber ich lass dich bestimmt nicht alleine hier draußen stehen.«
»Na gut. Dann schreibe ich Eddie schnell eine SMS, dass sie mir die Tasche rausbringen soll. Kann ich das von deinem Handy aus machen?«
»Klar.« Er klopft seine Jacke ab. »Mist. Ich hab’s nicht mit. Es ist in meinem Wagen, aber der steht gleich da drüben.« Javi greift nach meiner Hand und zieht mich zu einem Pickup. Nachdem er das Handy aus dem Handschuhfach genommenhat, wirft er einen Blick darauf und stöhnt. »Sorry. Der Akku ist leer. Aber das ist kein Problem. Ich lade es schnell auf. Ich wäre ja dafür, dass wir einfach reingehen, aber du willst es anscheinend lieber kompliziert.« Er schließt das Handy an das Ladegerät an, das im Zigarettenanzünder steckt. »In ein paar Minuten ist genug Saft drauf und du kannst sie anrufen.«
»Danke!« Ich lehne mich seitlich an den Wagen.
Javi stellt sich neben mich, während wir warten, dass das Handy lädt.
»Es schneit wieder«, sagt er und wischt etwas von meinem Ärmel.
Ich sehe zum Himmel auf, vor dessen Schwarz sich tatsächlich ein paar weiße Flocken abheben, die zu Boden schweben. Jetzt dauert es nicht mehr lang, bis ich einen echten Winter in Michigan erlebe.
Ich drehe mich zu Javi um und will ihn gerade fragen, wann man wohl am besten auf Winterreifen wechselt, als er plötzlich mit beiden Händen mein Gesicht packt und mir seine Zunge in den Mund zwängt.
»Hey!« Ich versuche, ihn wegzustoßen, aber er drückt mich mit seinem Körper gegen das kalte Metall des Wagens.
»Was ist denn?«, fragt er und hebt erstaunt den Kopf. »Ich hab gedacht, deswegen hast du die ganze Show hier überhaupt nur abgezogen.«
»Da hast du falsch gedacht!« Ich stemme mich gegen ihn, aber er lässt mich nicht los.
»Ach, komm schon«, sagt er grinsend. »Wenn du es nicht auch wollen würdest, wärst du doch mit mir zurückgegangen.«Er presst seine Lippen wieder auf meine und erstickt damit jeden weiteren Protest. Mein Herz schlägt wild gegen meine Rippen, aber nicht so, wie wenn Will mich küsst, sondern in höchster Panik. Ich will wegrennen oder wenigstens schreien, aber Javi drückt sich so fest an mich, dass ich keine Luft bekomme.
Ich schließe die Augen. Denk nach, Layken. Denk nach! Du musst irgendwas tun!
Als ich Javi gerade in die Lippe beißen will, macht er sich ruckartig von mir los
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