Weil ich Layken liebe
kaut geräuschvoll.
Später in der Schule kann ich mich kaum konzentrieren. Die gesamte zweite Stunde verbringen Eddie und ich damit, uns Zettel hin- und herzuschicken. Ich berichte ihr bis ins kleinste Detail, was gestern Abend passiert ist. Nur von Wills Gedicht sage ich nichts.
Als wir anschließend zu Wills Klassenzimmer gehen, fühle ich mich wie ein Roboter, der mechanisch einen Fuß vor den anderen setzt. Eddie geht vor, ich folge ihr nach kurzem Zögern. Als ich sehe, dass Will noch gar nicht da ist und auch Javi fehlt, schwant mir nichts Gutes. Kaum sitze ich an meinem Platz, meldet sich auch schon knisternd der Lautsprecher in der Wand und lässt alle Gespräche im Raum verstummen.
»Layken Cohen möchte bitte sofort in Mr Murphys Büro kommen.«
Ich drehe mich um und werfe Eddie einen panischen Blick zu. Obwohl sie aufmunternd lächelt und den Daumen hebt, weiß ich, dass sie genauso nervös ist wie ich.
Als ich ins Sekretariat komme, steht dort unser Schulleiter Mr Murphy im Gespräch mit zwei Männern, die ich nicht kenne. Er nickt mir zu und winkt mich in sein Büro. Willsitzt mit verschränkten Armen am Besprechungstisch und schaut nicht zu mir auf. Ich bemerke die kleine verschorfte Wunde über seinem Auge.
»Bitte nehmen Sie doch Platz, Ms Cohen.« Unser Schulleiter deutet auf einen Stuhl und setzt sich selbst Will gegenüber. Die anderen beiden Männer setzen sich ebenfalls. »Das ist Mr Cruz, Javiers Vater«, stellt Mr Murphy den einen vor.
Mr Cruz erhebt sich halb und schüttelt mir über den Tisch hinweg die Hand.
»Und Officer Venturelli.« Mr Murphy deutet auf den anderen Mann, der mir ebenfalls die Hand reicht.
»Sie können sich vermutlich denken, warum wir Sie hergebeten haben, Ms Cohen. Offenbar hat sich gestern Abend außerhalb des Schulgeländes ein Vorfall ereignet, in den Mr Cooper verwickelt war«, sagt Mr Venturelli und hält einen Moment inne, um mir Gelegenheit zu geben, mich dazu zu äußern. Ich bleibe stumm.
»Wir würden gern Ihre Version der Ereignisse hören.«
Ich sehe zu Will rüber, der unmerklich nickt, was ich als Aufforderung verstehe, die Wahrheit zu sagen. Also schildere ich ausführlich, was passiert ist.
Nachdem ich fertig bin und Mr Murphy und Officer Venturelli mir noch ein paar Fragen gestellt haben, darf ich wieder gehen. Ich bin schon halb aus dem Raum, als Mr Cruz mich zurückruft.
»Ms Cohen?«
Mit klopfendem Herzen drehe ich mich um und sehe ihn an. Will er womöglich doch Anzeige erstatten?
»Ich möchte mich für das Verhalten meines Sohnes in aller Form entschuldigen.«
Erleichtert nicke ich. »Danke.«
Als ich wieder in die Klasse komme, sitzt eine ältere Lehrerin, die ich schon ein paarmal im Pausenhof gesehen habe, am Pult und vertritt Will. Ich setze mich leise an meinen Platz, gebe es aber bald auf, mich auf das Gedicht konzentrieren zu wollen, das sie mit uns bespricht. Meine Gedanken kreisen nur um Will und darum, was dort oben beraten und beschlossen wird. Ob ich der Grund dafür sein werde, dass er seinen Job verliert.
Es hat gerade erst gegongt, als Eddie schon zu mir nach vorn gelaufen kommt. »Was war los? Was hat Mr Murphy gewollt?«, fragt sie aufgeregt.
Ich erzähle ihr alles, auch von meiner Angst vor dem, was womöglich noch kommt. Nach dem Unterricht warte ich eine Weile im Flur vor dem Klassenzimmer, aber Will taucht nicht mehr auf. In der vierten Stunde gestehe ich mir ein, dass ich heute nicht in der Verfassung bin, irgendetwas zu lernen, und gebe mir für den Rest des Tages frei.
Als ich in unsere Straße biege, sehe ich Wills Wagen in seiner Einfahrt stehen. Ich halte am Straßenrand, springe raus und laufe zum Haus. Noch bevor ich geklopft habe, schwingt die Tür auf und Will steht vor mir. Er trägt ein Jackett und hat seine Tasche umgehängt, als wollte er gerade wieder gehen.
»Was machst du denn hier?«, fragt er überrascht.
»Ich hab an deinem Auto gesehen, dass du schon wieder hier bist. Was haben sie gesagt?«
Will zieht die Tür hinter sich zu und geht zu seinem Wagen. »Ich habe gekündigt. Die Schule hat meinen Vertrag aufgelöst.«
»Aber du hast doch noch acht Wochen Referendariat!«, sage ich verzweifelt. »Und Javi war selbst schuld. Du hast mich bloß verteidigt, das können die nicht machen!«
Will schüttelt den Kopf. »Ich bin nicht gefeuert, Layken. Wir haben einvernehmlich entschieden, dass es besser für alle Beteiligten – sprich: mich und Javier – ist, wenn ich mein Referendariat
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