Weil ich Layken liebe
ich schwach sein Gesicht erkennen. Er hat wieder diesen Ausdruck in den Augen. Ich denke an sein Gedicht und spüre, wie mir warm wird und mein Atem stockt.
»Gestern Nacht«, flüstert er, »als ich gesehen habe, wie Javi dich geküsst hat, da …« Er holt tief Luft. »Ich dachte, du … du würdest seinen Kuss erwidern.«
Ihm so nah zu sein, macht es mir fast unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen, aber ich versuche trotzdem, mich auf das zu konzentrieren, was er gesagt hat. Er dachte, ich hätte Javi freiwillig geküsst? Aber wenn er die Situation so dermaßen falsch eingeschätzt hat, warum hat er Javi dann von mir weggezogen und zu Boden geschlagen? Und plötzlich trifft mich die Erkenntnis wie ein Blitzschlag: Will hat mich überhaupt nicht verteidigt – er war eifersüchtig !
»Oh« ist alles, was ich herausbringe.
»Erst heute Morgen, als du bei Mr Murphy deine Version der Geschichte erzählt hast, ist mir klar geworden, dass alles ganz anders war.« Er fährt sich durch die Haare und sieht mich an. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, was in dem Moment in mir vorging, als ich euch beide dort gesehen habe, Lake. Da ist echt eine Sicherung bei mir durchgebrannt. Aber jetzt, wo ich weiß, dass du das gar nicht wolltest und er … Oh Mann, ich könnte den Kerl umbringen!« Er presst die Lippen aufeinander und dreht den Kopf weg.
Ich stelle mir vor, wie schrecklich es für ihn gewesen sein muss, im einen Moment im Club auf der Bühne zu stehen und mir praktisch eine Liebeserklärung zu machen und kurz darauf mitansehen zu müssen, wie ich einen anderen küsse. Jetzt verstehe ich auch, warum er auf der Fahrt nach Hause so wütend war und kein Wort gesagt hat.
Er steht so in der Tür, dass ich nicht an ihm vorbeikommen kann, selbst wenn ich es wollte. Aber ich will es nicht. Natürlich nicht. Jede Sehne meines Körpers ist angespannt in Erwartung dessen, was er als Nächstes tun oder sagen wird. Ich muss tief durchatmen, um meine Nerven zu beruhigen.»Aber woher hast du …«, stammle ich. »Woher hast du überhaupt gewusst, dass ich draußen auf dem Parkplatz war?«
Will stemmt beide Hände gegen den Türrahmen und sieht mich an. Er ist so viel größer als ich, dass seine Haltung beinahe etwas Einschüchterndes hat, aber aus irgendeinem Grund macht ihn das für mich nur noch unwiderstehlicher.
»Ich habe dich im Club gesehen, Lake. Nachdem ich mein Stück vorgetragen hatte und der Scheinwerfer ausging, habe ich dich weggehen sehen.«
Meine Knie werden so weich, dass ich rückwärtstaumle und mich am Wäschetrockner hinter mir abstützen muss. Er weiß also, dass ich seinen Auftritt mitbekommen habe. Ist das der Moment, nach dem ich mich die ganze Zeit so sehr gesehnt habe, auch wenn ich nicht mehr darauf zu hoffen gewagt hatte? Er hat seine Stelle an meiner Schule verloren und ist nicht mehr mein Lehrer – bedeutet das, dass wir jetzt doch eine Chance haben, zusammenzukommen? Ist es das, was er mir zu sagen versucht?
»Will, heißt das …?«
Er macht einen Schritt auf mich zu, sieht mir in die Augen und streicht mit dem Zeigefinger sanft über meine Wange. Dann stöhnt er auf, schlingt plötzlich die Arme um mich und zieht mich an sich. Ich stemme beide Hände gegen seinen Brustkorb und lehne mich zurück, weil ich meine Frage stellen will, aber als ich den Mund öffne, verschließt er ihn mit seinen Lippen und macht es mir unmöglich, noch irgendetwas zu sagen. Mein Widerstand erlahmt sofort und ich lasse zu, dass er mich küsst. Natürlich lasse ich es zu. Ich spüre, wie ich dahinschmelze; das Maßband gleitet mir aus den Fingernund fällt zu Boden, als ich ihn umarme und mich an ihn schmiege.
Will packt mich in der Taille, hebt mich mit einem Ruck hoch und setzt mich auf den Trockner, sodass unsere Gesichter auf gleicher Höhe sind. Er küsst mich so hungrig, als würde er versuchen, einen ganzen Monat verpasster Küsse nachzuholen. Meine Hände gleiten unter sein T-Shirt, spüren seine samtweiche, warme Haut, die Muskeln, die sich anspannen, während er über meinen Körper tastet, mich an sich zieht, meinen Kopf in seine Hände nimmt und mich so leidenschaftlich küsst, dass ich alles um mich herum vergesse. Ich schlinge die Beine um seine Hüften, fasse mit beiden Händen in seine Haare und drehe seinen Kopf zu meinem Hals herunter, um nach Luft zu ringen. Alle Gefühle und Empfindungen, die ich wochenlang so schmerzhaft unterdrücken musste, brechen sich mit einem Mal Bahn und mir
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