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Weil sie sich liebten (German Edition)

Weil sie sich liebten (German Edition)

Titel: Weil sie sich liebten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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im
Vorzimmer wahrzunehmen, das beunruhigende Geräusch dünnen Regens, der an die
Fensterscheiben schlug (er musste später noch zu einem Schulfußballspiel), den
Kaffeeduft aus dem Foyer. »Ich möchte nur wissen«, erklärte er, »ob das Mädchen
mir auch die Wahrheit gesagt hat.«
    Silas starrte auf die Schreibtischkante. Mike wusste nicht, woran
der Junge dachte: An die Reaktion seiner Mutter? Daran, wie das Mädchen ihn
begrapscht hatte? Eine Zukunft auf einer öffentlichen Schule?
    »Silas, sieh mich an.«
    Widerstrebend hob Silas den Blick, um dem Schulleiter in die Augen
zu sehen. Mike bemerkte, dass der Junge wie wild mit dem Fuß wippte.
    »Es geht nicht um dich«, sagte Mike noch einmal. »Dir wird nichts
vorgeworfen. Allenfalls könntest du dem Mädchen vorwerfen, dass sie dich« – er
wollte nicht das Wort belästigen verwenden; es
erschien ihm zu extrem – »dass sie dir zu nahe getreten ist«, schloss er. »Sie
hat zugegeben, dass sie dich gebeten hat, sie im Auto mitzunehmen und …« Wieder
zögerte er. » Begrapschen , ist hier, denke ich, der
angemessene Ausdruck.«
    Silas schüttelte nochmals den Kopf.
    »So war es nicht?«, erkundigte sich Mike.
    »Doch«, antwortete Silas leise. »Eigentlich schon.«
    »Tja, tut mir leid«, sagte Mike. »Sie ist für vier Tage suspendiert
worden.«
    Wieder schüttelte der Junge den Kopf, sehr heftig diesmal. »Das ist
doch total übertrieben«, protestierte er.
    »Das zu entscheiden, ist ja wohl meine Sache, meinst du nicht?«
    »Ja, aber es ist doch überhaupt nichts gewesen«, entgegnete Silas.
    Mike lehnte sich in seinem Sessel zurück und klopfte mit dem
Bleistift auf den Schreibtisch. »Manchmal«, erklärte er, »braucht ein Schüler,
um es einmal so auszudrücken, eine Auszeit. Einen Weckruf. Es hat noch weitere
solche Vorfälle gegeben. Wir können solches Verhalten nicht durchgehen lassen.«
    »Es war doch nur …« Silas breitete hilflos die Hände aus.
    »Ich kann mir ganz gut vorstellen, wie es war«, sagte Mike. Er
bedauerte schon, dass er Silas in sein Büro hatte kommen lassen. Das Gesicht
des Jungen war immer noch ohne Farbe.
    »Pass auf«, sagte Mike und beugte sich vor. Er verspürte plötzlich
ein dringendes Verlangen nach einer Tasse Kaffee. »Wir haben hier kein Problem.
Ich brauchte nur eine Bestätigung der Aussage des Mädchens, und die hast du mir
geliefert. Wenn das Mädchen nicht die Wahrheit gesagt und lediglich versucht
hätte, dich anzuschwärzen, hätten wir andere Maßnahmen ergreifen müssen. Wir
hätten ihr Hilfe besorgen müssen. Die sie im Übrigen ohnehin braucht.«
    Der Junge schüttelte schon wieder den Kopf. Mike bemerkte, dass er
immer noch mit dem Fuß wippte.
    »Ich werde deinen Eltern nichts von dieser Geschichte sagen«,
bemerkte er. »Es besteht keinerlei Notwendigkeit dazu.«
    Silas hob mit einem Ruck den Kopf. »Sie glauben, das wäre das
Einzige, worum es mir geht?«
    Mike war erstaunt über die Heftigkeit der Frage.
    »Was meine Eltern dazu sagen?«, fügte Silas hinzu.
    »Nein, natürlich …«, begann Mike.
    »Ich hab’s zugelassen «, sagte Silas. »Ich
saß in meinem Auto, als sie an die Scheibe klopfte. Mich hat’s ein bisschen
gewundert, dass sie bei mir mitfahren wollte, wo ich sie doch gar nicht kannte.
Wir waren noch nicht vom Parkplatz runter, da ist sie mir schon an die Hose
gegangen. Im ersten Moment hab ich nur den Wagen angehalten und sie machen
lassen.«
    »Silas«, sagte Mike. »Du bist ein sechzehnjähriger Junge.«
    »Siebzehn.«
    »Natürlich warst du erst mal verblüfft. Das wäre jedem Jungen in
dieser Situation so gegangen.«
    »Ich hätte aber …«
    »Du hättest was?«, fragte Mike. »Schneller handeln können?«
    »Ich finde, Sie sollten mich auch suspendieren«, sagte Silas
ernsthaft.
    »Silas, ich kann dich gar nicht suspendieren. Ich habe keinen
Grund.«
    »Aber das ist doch nicht richtig. Sie hat überhaupt nicht gewusst,
was sie tut.«
    »Ich glaube, sie hat es ganz genau gewusst«, entgegnete Mike ruhig.
»Sie weiß vielleicht nicht, warum sie es getan hat. Aber ich hoffe, sie wird
selbst ein bisschen schockiert sein über ihr Verhalten, und diese – diese
Auszeit – wird ihr Gelegenheit geben, darüber nachzudenken, damit sie so etwas
nicht wieder tut. Aber ich bin überzeugt, Silas, ich bin überzeugt, sie hat
genau gewusst, was sie tut.«
    Der Junge atmete einmal tief durch. Mike bemerkte mit Erleichterung,
dass er langsam wieder Farbe bekam.
    »Ich bin bestimmt kein

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