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Weil sie sich liebten (German Edition)

Weil sie sich liebten (German Edition)

Titel: Weil sie sich liebten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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braten, sodass das Fleisch zart und saftig blieb und nichts von seinem
Geschmack einbüßte. Das Esszimmer war klein, aber die Quinneys hatten ja nur
den einen Sohn, da war immer ein Stuhl frei für einen Gast. Mike glaubte, dass
Anna gern ein wenig mit ihren Künsten angab, aber das konnte man nur ahnen; sie
war beinahe übertrieben bescheiden. Auf dem Tisch lag eine blaue Webdecke,
ähnlich den Sets in der Küche. Das Esszimmer und die Decke erinnerten Mike an
Mahlzeiten seiner Kindheit im Haus seiner Großmutter, und wenn er die Quinneys
besuchte, hatte er oft das Gefühl, in vergangene Zeiten zurückzukehren. Er
hatte immer Angst, mit der Soße zu kleckern, so fleckenlos rein waren Tischtuch
und Servietten stets, wenn er dort mit der Familie aß. Wein gab es nie, das
Essen war gut, aber einfach, niemand zog sich zu Tisch um. Owen saß an einem
Tischende, Anna am anderen. Silas und Mike saßen einander gegenüber, Silas
häufig noch rot im Gesicht vom energischen Einsatz in der Basketballhalle.
    Im Herbst und Frühjahr war Mike selten da, in der Zeit traf er Owen
kaum, aber im Winter aß er bisweilen zweimal im Monat bei den Quinneys. In dem
Zimmer, das nur ein Fenster hatte, stand eine große Uhr, die die Viertelstunden
schlug, und ein Bord an der Wand war vollgestellt mit allerlei Schnickschnack,
der für Anna offenbar besondere Bedeutung besaß. Auf einem anderen Bord standen
Farbfotografien, viele von Silas als Säugling und als Kind.
    Owen redete gern und konnte sich über alle möglichen Themen
auslassen. Es gab einige, bei denen er besonders in Fahrt kam. George W. Bush
rief immer wieder wortgewaltige Temperamentsausbrüche bei ihm hervor. Der
Irakkrieg brachte ihn zur Weißglut. Er sei Pazifist, verkündete er, und riet
seinem Sohn, falls er je eingezogen werde, solle er lieber nach Kanada gehen
als zum Militär. Er machte sich gern über Touristen lustig und verfügte über
einen unerschöpflichen Vorrat an Anekdoten von ratlosen Besuchern aus anderen
Staaten, über die er sich immer wieder kaputtlachen konnte, ganz gleich, wie
oft er sie schon erzählt hatte. Manchmal animierten solche Geschichten Mike
dazu, eigene kleine Erlebnisse mit interessierten Eltern und Schülern zum
Besten zu geben – nicht sehr klug von einem Schulleiter, aber in diesem Esszimmer
fühlte er sich sicher. Das lag zweifellos an der Kombination aus
wohlschmeckendem Essen, freundlicher Kindheitserinnerung und gedrängtem Raum,
der unter anderen Umständen klaustrophobische Gefühle bei ihm hervorgerufen
hätte. Insgesamt, fand er, hatte Silas, obwohl Einzelkind, Glück mit seiner
Familie.
    Owen hatte nicht geprahlt, als er behauptet hatte, niemand zöge zum
Korb wie sein Sohn. Was dem Jungen an Körpergröße fehlte, machte er durch Geschwindigkeit
mehr als wett. Seine Beinarbeit war hervorragend, und es war eine Freude, ihm
dabei zuzusehen, wie er Gegner austrickste, die ihn um Haupteslänge und mehr
überragten. Wenn er einen Wurf verfehlte, den er eigentlich hätte vollenden
müssen – zumal einen Dreier –, oder seine Mannschaft ein Spiel verlor, nahm
Silas sich das sehr zu Herzen, oft zog er den Kopf ein, als erwartete er eine
Tracht Prügel. Mike war überzeugt, dass weder Owen noch Anna je die Hand gegen
Silas erhoben hatten, dennoch schien der Junge eine tiefe Scham in sich zu
tragen, die bisweilen zum Ausbruch kam. Scheitern war nicht akzeptabel, und
Silas war offenbar nicht in der Lage, das Gefühl einfach abzuschütteln wie die
meisten anderen Jungen.
    Manchmal, wenn Silas Mike auf dem Schulgelände über den Weg lief,
hielten sie beide an und sprachen einen Moment miteinander, wobei Mike die
Fragen stellte  und Silas antwortete. Wie
es seinen Eltern gehe. Wie die Aussichten für das Samstagsspiel stünden. Wie es
in der Schule laufe. In Silas’ zweitem Jahr richteten Anna und Owen bei sich zu
Hause die Jahresfeier für das Basketballteam aus; Mike war auch eingeladen. Bei
dieser Gelegenheit stieß er vom Esszimmer ins Wohnzimmer vor. Und einmal, in
Silas’ vorletztem Jahr, führten er und der Junge ein richtiges Gespräch.
    Seltsamer- und traurigerweise ging es dabei um eine Sache mit
sexuellem Hintergrund. Zwei Jungen, beide wie Silas in der elften Klasse, waren
nach dem Unterricht auf dem Parkplatz für die externen Schüler in einem grauen
Honda Civic beim Marihuanarauchen ertappt worden, was allein schlimm genug
gewesen wäre. Zu allem Überfluss jedoch hatte sich einer der beiden
gleichzeitig von einem

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