Weil sie sich liebten (German Edition)
für das oberste Basketballteam der Schule (in dem nur zwei
Neuntklässler spielten) machte.
Ein Vorteil von Privatschulen gegenüber öffentlichen Schulen war,
dass dort für ständige Beschäftigung der Schüler gesorgt wurde. Der Unterricht
begann morgens um acht, und wenn mittags um zwei die letzte Stunde vorbei war,
mussten alle Schüler zum Sportunterricht, das war Pflicht. Pflicht waren auch –
jedenfalls für alle Internen – zwei Stunden Studierzeit jeden Abend. Silas war
zwar (im Gegensatz zu Rob, J. Dot und dem Mädchen) kein Interner, aber er hatte
die meisten Tage bis halb sieben in der Schule zu tun und zu Hause noch
mindestens drei Stunden Hausaufgaben zu machen, wenn nicht mehr. Die Lehrer
neigten dazu, die Neuntklässler mit Arbeit vollzupacken, um sie gleich
gründlich einzuweisen. Wie oft hatte Mike, wenn er abends zwischen acht und
zehn noch einmal einen Blick in die Wohnheime geworfen hatte, die Neulinge
gesehen, die mit hängenden Köpfen über ihren Arbeitstischen saßen, nicht vom
Schlaf übermannt, sondern von der Verzweiflung, manche von ihnen sogar in
Tränen aufgelöst. Mike sagte sich gern, dass die Schüler von Avery eine
außergewöhnlich gute Vorbereitung auf die Universität genössen, und tatsächlich
berichteten Studienanfänger häufig, dass ihnen nach dem strengen Drill in Avery
das Studium leichter vorkam als die Highschool.
Als Spieler der Schulauswahlmannschaft musste Silas zu seinen
Spielen oft weit fahren. Außerdem war die Teilnahme am Samstagsunterricht, der
jede zweite Woche stattfand, für sämtliche Schüler Pflicht. All diese Regeln
und Vorschriften hatten sich eigentlich aus der Notwendigkeit entwickelt, den
internen Schülern möglichst wenig Zeit zu lassen, Dummheiten zu machen, aber
sie galten auch für die externen. Anna beschwerte sich lachend, sie bekomme
ihren Sohn ja überhaupt nicht mehr zu Gesicht, aber sie schien doch froh zu
sein, dass er in Avery angenommen worden war. Sie hatte zunächst schüchtern,
dann mit unermüdlichem Engagement im Elternbeirat mitgearbeitet. Owen, kein
nachtragender Mensch, auch wenn er, wie Mike zu spüren glaubte, bereit war,
seinen Sohn beim kleinsten Anzeichen von Ärger von der Schule zu nehmen, Owen
also war stolz auf den sportlichen Erfolg seines Sohnes und bemühte sich, bei
jedem Heimspiel dabei zu sein. Wenn Owen in die Halle trat und zur Heimtribüne
hinüberging, schaffte es Mike immer, sich irgendwann zu ihm zu gesellen, sich
nach Anna zu erkundigen und ihm vom Spielbeginn zu berichten, wenn er das erste
Viertel versäumt hatte oder erst zur Halbzeit gekommen war. Owen prahlte nie
mit seinem Sohn, und wenn jemand Silas lobte, antwortete er mit einem kurzen
Nicken, zum Zeichen, dass er das Kompliment zur Kenntnis genommen hatte. Aber
in seinem Blick konnte man diesen Funken typisch väterlichen Stolzes erkennen.
Mike beneidete ihn, er konnte bei Siegen der Schule jubeln und feiern so viel
er wollte, dieses ganz persönliche Glücksgefühl, das Owen vergönnt war, erlebte
er nie.
Owen kam unweigerlich in abgetragener Arbeitshose und der schweren
Holzfällerjacke, die nach Schafen roch, zu den Spielen. Weder seine Kleidung,
die doch einigermaßen aus dem Rahmen fiel, noch die Tatsache, dass er ein
Einheimischer war, schienen ihm das geringste Unbehagen zu bereiten. Ja, hätte
man ihn gefragt, so hätte er sich wahrscheinlich zu einem Gefühl der
Überlegenheit über die anderen Eltern bekannt – von denen einige weite Strecken
gefahren waren, um sich das Spiel ansehen zu können –, weil – nun, weil die
Leute aus Vermont eben so waren. Ab und zu hatten Owen und Anna Meg und Mike nach einem Spiel spontan zu sich zum
Essen eingeladen, aber Meg hatte ihren Mann, seit er mit den Quinneys bekannt
war, merkwürdigerweise kein einziges Mal auf den Hof begleitet. Meistens waren
die Umstände schuld – seine Frau hatte oft Besprechungen oder Übungsstunden,
die zu den Essenszeiten angesetzt waren –, aber zum Teil lag es auch an Megs
Einstellung, dass die Quinneys Mikes Sache seien und nicht ihre. Sie und ihr
Mann hatten unterschiedliche Tätigkeitsbereiche und folglich getrennte
Verantwortungsgebiete.
Anna Quinney kochte und buk meisterhaft, vor allem natürlich die
regionalen Gerichte. Ihre Butterplätzchen hatte Mike in besonders guter Erinnerung,
so etwas Köstliches würde er wahrscheinlich nie wieder bekommen. Sie machte
eine traumhafte Zitronenbaisertorte und verstand es, ein Hühnchen genau richtig
zu
Weitere Kostenlose Bücher