Weil sie sich liebten (German Edition)
sie sich mit einer anderen Frau
teilte, sah es ganz ordentlich aus, bis Meg die Tür zu ihrem Zimmer öffnete.
Von der Schwelle bis zum Bett war kein Fußbreit Boden frei: Kabel, die zu allen
möglichen elektronischen Geräten gehörten, praktisch ihre gesamte Garderobe und
Ordner, aus denen zum Teil die losen Blätter herausgerutscht waren, lagen
überall verstreut. Ihm fiel das Chaos zunächst nicht weiter auf, weil er nur
Augen für Meg hatte, die auf dem Weg zum Bett schon den Pulli über ihren
schlanken weißen Rücken hochzog. Der Schock folgte einige Stunden später, als
er im Badezimmer das trübe Wasser mit den grauen Dreckrändern sah, das offenbar
schon seit Tagen in der Wanne stand, und die Kruste aus hart gewordenen
Zahnpastaresten, verschmiertem Make-up und Fetzen von Gesichtstüchern, die
innen das Waschbecken überzog.
»Im Bad ist anscheinend der Abfluss verstopft«, rief sie Mike vom
Bett aus zu. Besonders verlegen wirkte sie nicht. »Das geht schon seit Wochen
so.«
Nachdem Mike die Toilette benutzt hatte, wobei er sich bemühte,
nichts anzufassen, fragte er, wie sie denn unter diesen Umständen dusche.
»Ach, ein bisschen was fließt immer ab«, antwortete sie, was auf
eine, wenn auch unfreiwillige, Sparsamkeit im Umgang mit den natürlichen
Ressourcen schließen ließ. Umweltschützern wäre wahrscheinlich das Herz
aufgegangen. Angeekelt, aber längst betört von Megs Reizen, von der dunklen
Korona ihrer Brustspitzen, der sanften Mulde im Schwung ihrer Hüfte, der seidigen
Berührung ihrer Schamhaare an seiner Wange, bot er sich als Retter in der Not
an und versprach ihr, das nächste Mal mit einer Spindel und einer Flasche Abflussreiniger
wiederzukommen.
Die Arbeit war unappetitlich und ekelhaft. Für jeden Mann mit einem
Funken Verstand, sagte sich Mike, wäre danach klar gewesen, dass Megs Faulheit
eine unannehmbare Charakterschwäche war. Ganz bestimmt hätte dieser Mann sie nicht
sechs Monate später gebeten, seine Frau zu werden, nachdem er es auf sich
genommen hatte, die sanitären Anlagen ihrer Wohnung halbwegs in Schuss zu
halten. Dass er das tat, dachte Mike bei sich, war entweder Megs kühler
Unwiderstehlichkeit zuzuschreiben oder seiner Überzeugung, dass die Ehe mit ihm
sie ändern würde.
(Mike hatte Meg von dem Moment an geliebt, als er sie auf der
anderen Seite des Tapeziertischs erblickte. Wann genau Meg ihre Liebe zu Mike entdeckt
hatte, war nicht so klar. Seinem Gefühl nach hatte sie der Heirat zugestimmt , und dieses Wort beschrieb genau das innere
Ungleichgewicht ihrer Beziehung. Mike bat. Meg stimmte manchmal zu. Manchmal
auch nicht. Es überraschte Mike nicht, ja, missfiel ihm nicht einmal, dass Meg
in ihrer Ehe die größere Macht besaß. Wirklich zu schaffen machte ihm, dass sie
die Macht besaß, ihm ihre Zustimmung gelegentlich zu versagen .)
Zu gegebener Zeit erhielt Mike den Posten als Leiter der Avery
Academy (keine Übergangslösung mehr) und Meg zog widerwillig zu ihm. Mit dem
Posten einher gingen ein Haus (eine überzeugende Nachbildung eines
georgianischen Backsteinbaus) und ein Dienstmädchen, wodurch so manches
häusliche Desaster vermieden wurde. Bei Mike verschmolzen Phantasievorstellung
und Realität seiner Aufgabe als Leiter der Avery Academy, die er als ein
außerordentliches Glück betrachtete, zu Leidenschaft und Loyalität für sein
Amt, sodass er bald so innig wie wenige vor ihm mit ihm verwachsen war.
Seine Anfangserfolge hatte er großenteils einer ungewöhnlich hochherzigen
Spende während seiner Übergangszeit zu verdanken, einem Geschenk von mehr als
vier Millionen Dollar, die er erfreulich prompt durch die sonst eher trägen
bürokratischen Kanäle schleuste. Es war klar, dass sein Beitrag im Vergleich
zur Höhe der Spende bescheiden war, dennoch umgab ihn eine Zeit lang der Nimbus
eines Glücksbringers, dem sich nur wenige entziehen konnten. (Die humorlose, um
nicht zu sagen strenge Haltung der Kuratoren lockerte
sich etwa vier Monate nach dem Bewerbungsgespräch bei einem gemeinsamen
Abendessen nach einem endlosen Sitzungstag in New York, als die spektakuläre
Spende für die Schule bekannt gegeben wurde. Mikes kinnlosem Erzfeind war das
Anlass genug, Champagner auffahren zu lassen, der – wie vorauszusehen – die
Zungen löste und viel Gelächter sowie einige unvergessliche Albernheiten
hervorbrachte.)
Anfangs hatte Meg an ihrem Wunsch festgehalten, in Hartford zu
bleiben, aber als sie in einer besonders heiteren Periode milden
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