Weil sie sich liebten (German Edition)
fort.
»Es ist wichtig.«
»Wenn du meinst«, sagte sie.
Als sie zusammen durch den Flur gingen, bedauerte er schon, die
Kamera unter das Sofa geschoben zu haben. Er erklärte es, während er sie wieder
hervorholte. »Ich wusste nicht, wer an der Tür war.«
»Ach, marschieren denn bei uns dienstagmittags regelmäßig fremde
Leute ein und aus, ohne anzuklopfen?«, fragte Meg ironisch.
Mike stöpselte die verschiedenen Kabel ein. »Ich warne dich, es ist
ziemlich heftig«, sagte er.
»Was ist denn drauf?«
»Ein paar junge Leute«, antwortete Mike. »Beim …« Er brach ab. Es
hätte leicht sein müssen, das Wort vor seiner Frau auszusprechen, aber es war
nicht so, und er wusste nicht, ob er wegen der Situation an sich gehemmt war
oder wegen ihrer Schamlosigkeit. »Beim Sex.«
»Avery-Schüler?«, fragte Meg. »Woher hast du das?«
»Kasia hat es mir gegeben. Sie hat es von Arlene.« Mike beobachtete
Meg, die mit der Oberlippe den Joghurt auf
ihrem Löffel zu einer erotischen Skulptur formte, er war allerdings in diesem
Moment immun gegen Erotik jeglicher Art. Meg nahm pro Tag fünf kleine Mahlzeiten
und eine große (das Abendessen) zu sich, und der Joghurt musste seiner
Berechnung nach die Nummer drei sein. Sie bestand aus einem kleinen Becher
fettfreiem Pfirsichjoghurt, und Meg dehnte sie gern möglichst lang aus.
»Los geht’s«, sagte Mike.
Er hatte das Band zum Anfang zurückgespult, es setzte genau an
derselben Stelle ein wie vorher, als er es sich zum ersten Mal angesehen hatte:
Mit dem Mädchen , das sich mit einer raschen Drehung
von dem groß gewachsenen, noch bekleideten Jungen weg zu dem kleineren,
stämmigen Jungen hinbewegte, der nackt war.
»Oh Gott.« Meg ließ den Löffel sinken. Es war kein ›Oh Gott‹ lauten
Entsetzens, es war eher leise ausgesprochen, so wie man manchmal leise Autsch sagt, und Mike merkte, dass sie, auch wenn er ihr
von dem Band erzählt hatte, überhaupt nicht auf seinen Inhalt vorbereitet war.
»Oh Gott«, sagte sie ein paar Sekunden später noch einmal.
Der nackte Junge küsste jetzt die Brust des Mädchens, und der Große,
Schlanke ließ seine Jeans heruntergleiten. Das Mädchen kniete vor dem Größeren
nieder. Meg drückte eine Hand auf den Mund.
»Ich schalte ab«, sagte Mike und beugte sich vor.
»Nein, warte«, entgegnete sie.
Wieder suchte Mike nach Anhaltspunkten dafür, wann sich das alles
abgespielt hatte – nach einem Kalender an der Wand oder auf einem Schreibtisch –, aber die Kameraschwenks zwischen den einzelnen Beteiligten waren so schnell
und ungeübt, dass es schwierig war, irgendetwas genauer zu erkennen, und wieder
musste er gegen Übelkeit kämpfen.
Sie hörten sich das Stöhnen des Jungen auf dem Bett an und sahen dem
Mädchen zu. »Das ist ja furchtbar «, sagte Meg.
»Sie muss noch sehr jung sein, oder?«, bemerkte Mike.
»Neunte Klasse. Sie ist in der dritten Fußballmannschaft.«
»Wie alt?«
»Vierzehn, fünfzehn.«
»Weißt du, wie sie heißt?«
»Nein.«
Meg hockte jetzt vorgebeugt auf der Sofakante, die Arme auf die Knie
gestützt. Es war eine Haltung gespannter Aufmerksamkeit und Abwehr. Der Bildschirm,
auf dem sie sonst Wolf Blitzer oder Jim Lehrer sahen, wurde jetzt von dem
verzückten Gesicht Silas Quinneys beherrscht.
Meg hob den Kopf und sah ihren Mann an. »Du musst das sofort
regeln«, sagte sie.
Laura
A ls meine Eltern mich am Einführungstag
zu Beginn der neunten Klasse im Wohnheim absetzten, waren sie von meiner
Zimmergenossin nicht gerade begeistert. Sie hat sich ihnen gegenüber auch
ziemlich krass benommen – rumgeschleimt wie verrückt, aber man hat genau
gemerkt, dass es nur Getue ist, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich glaube,
das war ihre Art, andere zu beeindrucken und ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen.
Aber bei meinen Eltern hat das überhaupt nicht
funktioniert, ich weiß, dass sie später sogar versucht haben, mich in einem
anderen Zimmer unterbringen zu lassen. Aber die Klasse war groß, und die Verwaltung
konnte nichts tun.
Als ich nach Avery kam, wusste ich, dass ich mit einem Haufen Leuten
würde auskommen müssen, mit denen ich nicht viel gemeinsam hatte, deshalb war
ich ziemlich – na ja, ich war so ziemlich auf alles vorbereitet und habe mich
auch darauf gefreut. Aber auf so eine wie sie war ich nicht gefasst.
Am ersten Schultag war sie vor mir da. Sie hat sich sofort das
bessere Bett und den schöneren Schreibtisch genommen. Das war schon okay, ich
hatte es eigentlich nicht
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