Weil sie sich liebten (German Edition)
am Abend wieder in Hartford war, hatte er die Zusage in
der Tasche. Man hoffte, er könne so bald wie möglich anfangen, so hörte er es
vom Anrufbeantworter kurz nachdem er die Wohnungstür hinter sich zugeschlagen
hatte. Meg stand keine zwei Meter vom Telefon entfernt, in einer Haltung, als
wollte sie ihm ins Gesicht springen.
Mike musste ihr einiges erklären. Er hatte ihr nichts von seiner
Bewerbung erzählt, und das mit guten Grund: Meg hätte ihm vorgehalten, dass sie
nicht mitten im Schuljahr auf und davon gehen könne und auch gar nicht daran
denke, das zu tun, da sie sich an der Schule durchaus wohlfühle. Im Übrigen
verstehe sie nicht, wie Mike überhaupt auf den Gedanken kommen könne, seine
Schüler, die ihn weit dringender brauchten als die verwöhnten Zöglinge
irgendeines Eliteinternats, einfach im Stich zu lassen. Hätte Mike gewusst,
dass Avery so schnell reagieren würde – und auch noch telefonisch –, so hätte
er Mrs. Gorzynski nicht die
private, sondern nur seine dienstliche Telefonnummer gegeben und im Voraus eine
kleine Werbeoffensive gestartet, die Meg vielleicht davon überzeugt hätte, dass
es auch für sie Vorteile hatte, wenn er
das Angebot von Avery annahm.
Nach drei hässlichen Tagen des Grolls und der Bitterkeit, einigten
sie sich, dass Mike den Interimsposten in Vermont annehmen, Meg aber bis zum
Ende des Schuljahres in Hartford bleiben würde. Falls Mike eine Verlängerung
angeboten wurde, wollten sie im Juni die Lage neu überdenken. Inzwischen würden
sie an den Wochenenden abwechselnd zwischen Hartford und Avery pendeln, für
Mike nicht ganz einfach, da er samstags zu den Spielen der Sportmannschaften
musste. Mike hatte den Eindruck, dass ihnen beiden die Trennung ganz gelegen
kam. Meg, die dem Sturm nach seiner Kündigung standhalten musste, würde froh
sein, wenn sie nicht auch noch zu Hause Spannungen erwarteten. Und sein
Versuch, sich einen lang gehegten beruflichen Wunschtraum zu erfüllen, würde
seine ganze Zeit und Aufmerksamkeit beanspruchen.
Mike und Meg hatten sich in Hanover, New Hampshire, auf einer
Thanksgiving-Party kennengelernt, zu der sie ein Kommilitone aus dem M.A .-Programm der Universität Dartmouth eingeladen hatte.
Die Programmteilnehmer bildeten eine recht gemischte Gruppe – unter ihnen viele
(und zu ihnen gehörte Meg) ehemalige Highschool-Lehrer, die ihre
Berufsaussichten und ihr Einkommen verbessern wollten, und andere, die sich
(wie Mike) nicht zu einer Promotion entschließen konnten. Das brachte ein
vielfältiges Kursangebot mit sich, man konnte ebenso gut in einem Seminar zur
Entwicklungspsychologie landen wie beim kreativen Schreiben. Da Mike nicht
kochen konnte, brachte er Wein mit. Meg kam mit einem Kürbis-Punsch-Pudding,
einer ungewöhnlichen Süßspeise, die bei den Gästen zunächst auf vorsichtige
Skepsis stieß, dann aber größten Anklang fand. Sie habe sie nach einem Rezept
ihrer Großmutter in Ohio gemacht, erklärte sie, und sie sei trotz
unverantwortlicher Mengen Sauerrahm und Eierpunsch auf jedem Fest der große
Hit. Sie saß Mike an dem umfunktionierten Tapeziertisch gegenüber, beim
allgemeinen Lärm etwas zu weit entfernt für ein Gespräch, aber er beobachtete
sie beim Essen fast die ganze Zeit allzu auffällig. Sie hatte etwas
Kampflustiges und Warmes zugleich, das ihn beeindruckte und ihm erotische
Abenteuerlust zu verraten schien. Irgendwann während des Essens sah sie ihn mit
großen Augen an und lächelte, als wollte sie sagen: Na, und
als er sich ihr später näherte, hatte er den Eindruck, dass seine
Aufmerksamkeit ihr gefiel. Er erfuhr ihren Namen, ihr Hobby (Volleyball),
welche Kurse sie belegt und was sie bisher beruflich gemacht hatte (sie hatte
drei Jahre an einer öffentlichen Highschool in Lewiston, Maine, unterrichtet).
Er entdeckte außerdem, als er sie am Oberarm fasste, um sie dem Kürbiskuchen
aus dem Weg zu schieben, der gerade aufgetragen wurde, dass sie straffe Muskeln
hatte. Nach dieser ersten Berührung wurde er die Vorstellung, dass sie ein
reizbarer und angespannter Mensch sei, nie mehr los.
Gleich in der ersten Nacht entdeckte er, dass sie so
experimentierfreudig war, wie er vermutet hatte, aber auch erschreckend
schlampig. Es war beinahe ein kleines Wunder, dass sie in der Öffentlichkeit
stets präsentabel war und äußerst gepflegt wirkte – die knapp schulterlangen
kastanienbraune Haare ordentlich gekämmt, das Gesicht frisch gewaschen und
strahlend vor Sauberkeit. In der Wohnung, die
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