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Weil sie sich liebten (German Edition)

Weil sie sich liebten (German Edition)

Titel: Weil sie sich liebten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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ordentlich gepflasterten Fußwegen durchzogen war. Einige
Gebäude hatten breite Granittreppen unter weißen Säulenhallen, während andere,
Wohnheime, vermutete er, mit ihren Fensterläden an die großen Villen
Neuenglands erinnerten. Jenseits des Hofs erhoben sich baumbestandene grüne
Hänge, und durch das lichter werdende Laub waren andere ähnliche Gebäude zu
erkennen, sowie mehrere schöne Häuser, von denen man, hoffte Mike, eines ihm
zuteilen würde.
    Er stellte seinen Wagen vor dem Verwaltungsgebäude ab und überlegte
jetzt erst, ob er nicht einen der Schulparkplätze hätte aufsuchen sollen; sein
Wagen war der einzige auf dem Hof. Dann aber ging er schnellen Schrittes zur
Haustür, schon ganz darauf konzentriert, einen guten Eindruck auf die
Schulkuratoren zu machen, die in aller Eile zu diesem Gespräch versammelt
worden waren. Der bisherige Schulleiter war an Bauchspeicheldrüsenkrebs
erkrankt und nicht bereit gewesen, die wenige Zeit, die ihm noch blieb, der
Schule zu opfern. Er hatte das Internat bereits verlassen und lebte jetzt bei
seiner Schwester in Boston. Darüber, dass dieser allseits beliebte und
tolerante Mann mit Mitte fünfzig schwul war, wurde erst offen gesprochen, als
er weg war. In den Augen des ebenso toleranten Kollegiums war das ein im
Wesentlichen belangloses Detail, aber die Kuratoren hatte es möglicherweise
bewogen, die Bewerbung Mike Bodwins, der eine Ehefrau hatte und seit einem
halben Jahrzehnt verheiratet war, wohlwollend zu prüfen. (Die Wendung seit einem halben Jahrzehnt verheiratet , die Vorstellungen
von Stabilität und Harmonie hervorrief, gab allerdings kaum das richtige Bild
von der stürmischen und anfälligen Beziehung zwischen ihm und Meg, aber das
wussten die Kuratoren nicht.) Mike sollte, wenn das Kuratorium zustimmte, die
Leitung des Internats übernehmen, bis eine dauerhafte Lösung gefunden war. Es
war kein Geheimnis, dass einige der Fachleiter, unter ihnen Geoff Coggeshall,
nach dem Posten schielten – das war Mike am Telefon berichtet worden –, aber er
hatte vor, sich aus den Grabenkämpfen herauszuhalten und nur zu tun, was nötig
war: Dafür zu sorgen, dass trotz einer gewissen Trauer der Schulbetrieb bis zum
Juni reibungslos weiterlief und möglichst viele Schüler der Oberklasse einen
erfolgreichen Abschluss hinlegten. Ferner sollte er im Rahmen einer Kampagne,
die im Jahr zuvor auf den Weg gebracht worden war, die Mittel für den Bau einer
neuen Sporthalle und eines Kunstkomplexes beschaffen.
    Mike, derzeit zweiter Direktor an einer weit weniger feudalen
Internatsschule in Hartford, Connecticut, war zu dem Gespräch bestellt worden,
weil einigen seiner Kollegen bekannt war, dass er wenig Freude an seiner
gegenwärtigen Aufgabe hatte, in einer Stadt mit einer der höchsten
Kriminalitätsraten in den USA eine extrem gemischte
Schülerschaft, die großenteils aus Externen bestand, wie ein Polizist zu
überwachen. An der Schule in Hartford waren die Tore immer abgesperrt, die
Schüler mussten Metalldetektoren passieren, um ins Innere der Gebäude zu
gelangen, und bei einem erbitterten Fußballspiel gegen eine Schule vom anderen
Ende der Stadt hatte es bereits eine Messerstecherei gegeben. Mike hatte einen
rauen Job an einer rauen Schule, die mehr mit den öffentlichen Schulen der
Stadt New York gemein hatte als mit dem kultivierten Nobelinternat seiner
Träume. Die Gehälter der Lehrer und Abteilungsleiter waren erbärmlich, er und
Meg mussten sich damit begnügen, in einer Gegend zu leben, die den Stressabbau
keineswegs begünstigte. (Dennoch blühte Meg förmlich auf an dieser Schule und
war äußerst beliebt bei den Schülern, weil sie die Gabe hatte, den Lernwilligen
unter ihnen selbst die schwierigsten Matheaufgaben nahezubringen, und den
anderen mit kluger Entschlossenheit beizukommen.)
    Kein Wunder also, dass Mike an diesem flüchtig funkelnden Nachmittag
mit etwas egoistischem Elan die Tür aufstieß, angeregt vom Geplapper scheinbar
glücklicher Schüler und beschwingt von der Aussicht auf einen Schulleiterposten
an einem richtigen Privatinternat, das seinen beruflichen Träumen mehr entsprach
als die Anstalt, von der er gerade kam.
    Erste Eindrücke sind bleibende Eindrücke, aber Mike entdeckte, dass
gerade die, die sich am längsten hielten, später oft am wenigsten mit den
realen Gegebenheiten übereinstimmten. So war er beispielsweise sehr angetan vom
Foyer, das in der Mitte der rundum liegenden Verwaltungsräume lag – der Büros
der

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