Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weil sie sich liebten (German Edition)

Weil sie sich liebten (German Edition)

Titel: Weil sie sich liebten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
Vom Netzwerk:
anders erwartet. Obwohl ich selber ihr die besseren Sachen gelassen hätte, wenn ich zuerst da
gewesen wäre. So bin ich eben. Als wir kamen, lag schon eine gigantische
Daunendecke auf dem Bett und überall darauf verstreut Handtaschen und
haufenweise Schuhe. Ich kann Designertaschen nicht von Imitaten unterscheiden,
aber die Dinger waren eindeutig aus Leder, und die Qualität war gut. Meine
Mutter hat von Designer taschen gesprochen, als sie
mich später noch mal angerufen hat. Kein Mensch trägt in Avery eine Handtasche,
und schon gar nicht Designerware. Wir nehmen alle nur Rucksäcke. Der Schrank
von meiner Zimmergenossin war mit Kleidern so vollgestopft, dass für die
Taschen und die Schuhe kein Platz mehr war. Sie hat sie dann unter dem Bett
verstaut, wo sie ihre Süßigkeiten hatte.
    Wir heben alle unsere Süßigkeiten unter dem Bett auf. Wenn sie auf
dem Schreibtisch liegen, heißt das, dass jeder sich was nehmen kann. Alles, was
unter dem Bett liegt, gehört einem allein.
    An dem ersten Tag hatte ich ein bisschen Bammel, weil ich vorher
noch nie von zu Hause weg war – außer im Sommerlager. Sie hat mir sofort einen
Joint angeboten. Ich konnte es nicht fassen. Ich hatte noch nie einen Joint
geraucht. Nicht mal in der Hand gehabt. Ich war zu dem Zeitpunkt gerade mal
vierzehn. Ich sagte, danke nein. Sie hat sich ihren einfach angezündet, mitten
im Zimmer, und ich weiß noch, dass ich dachte: Mist, wir
fliegen garantiert auf der Stelle raus. Ich wusste nicht, was ich tun
sollte. Am Schluss bin ich einfach gegangen und draußen rumgelaufen, bis ich halbwegs
sicher sein konnte, dass sie fertig geraucht hatte.
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, machte sie  ein Riesentheater, weil sie nicht wusste, was
sie anziehen sollte. Sie probierte einen Fummel nach dem anderen an und riss
ihn sich wieder vom Leib. Ich fand jedes Mal, dass sie toll aussah. Sie war
eine echte Schönheit. Sie hatte lange blonde Haare und große grüne Augen, und
ihre Nase war perfekt. Sie war schlank, nicht dünn, sondern schlank. Sie sah
klasse aus in einem Trägerhemd.
    Ich würde sagen, dass sie sich sexy angezogen hat. Manche Mädchen
sehen sowieso immer sexy aus, die brauchen sich gar nicht zu bemühen, aber sie
hat’s darauf angelegt, das hat man gemerkt. Ich habe ihr oft beim Anziehen
zugeschaut. Immer hat ihr irgendwas nicht gepasst. Mal hat sie die Unterwäsche
getauscht oder sie hat einen kürzeren Rock genommen oder ein Spitzentop unter
die weiße Bluse gezogen. Sie hat sich an die Kleidervorschrift gehalten, aber
immer nur gerade eben. Ich weiß, dass man einen anderen nicht nach seiner Kleidung
beurteilen soll, aber sie hat’s eigentlich darauf angelegt, dass man sie nach
ihrer Kleidung beurteilt. Nach der Wahl ihrer Kleidung, meine ich. Ich glaube,
wenn man auf die Art ein Urteil herausfordert, dann will man den anderen eine
Botschaft vermitteln.
    Ja, für eine Neuntklässlerin hat sie viel getrunken. Ich glaube, das
ist in den Zeitungen rausgekommen. Für sie war es Ehrensache, dass sie eine
Menge vertragen konnte. Sie hat’s ganz schön krachen lassen. Die Jungs aus den
unteren Klassen haben sie überhaupt nicht interessiert. Es gibt immer Mädchen
auf der Schule, die gleich versuchen, sich die Post Graduates zu schnappen, und
das hat sie auch getan. Sie hat sie angemacht. J. Dot
zum Beispiel. Das ist James Robles, der auch in die Sache verwickelt war.
    Sie hat gern die ›dumme Blondine‹ gespielt. Hat immer von ihren
›blonden Momenten‹ geredet. Aber ich glaube, dass sie ziemlich schlau war.
    Ich bin auf die Avery Academy gekommen, weil die von den Schulen,
die mich genommen hätten, die beste war. Meine Eltern sind aus New Hampshire,
und für beide geht nichts über die Ausbildung an einer Privatschule. Sie waren
selbst auf Privatschulen. Ich wollte am Anfang überhaupt nichts davon wissen
und habe den ganzen September durch ziemlich viel geweint. Aber dann habe ich
mich eingelebt, und wenn ich jetzt nach Hause fahre und mir unsere öffentliche
Schule anschaue, die nur aus einem einzigen Gebäude besteht, und von meinen
Freunden höre, wie groß die Klassen sind und dass die Lehrer nicht mal die
Bücher beschaffen können, die sie haben wollen, weil kein Geld da ist, dann bin
ich froh, dass ich hier gelandet bin. Ich weiß, dass ich hier – na ja, dass ich
bessere Chancen habe, an eine gute Uni zu kommen, als ich sie auf der Schule zu
Hause hätte, und ich habe einige ganz großartige Lehrer gehabt, bei denen

Weitere Kostenlose Bücher