Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weil sie sich liebten (German Edition)

Weil sie sich liebten (German Edition)

Titel: Weil sie sich liebten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
Vom Netzwerk:
Fachleiter, des Schulleiters und seiner Sekretärin, der Finanzabteilung,
Anmeldung und Registratur. Es glich einem Wohnzimmer, mit dem glänzenden
Parkettboden und den frisch gestrichenen weißen Wänden, die eine Reihe von
Porträts schmückte. Mehrere Orientteppiche lagen über den Boden verteilt, und
in einer gemütlichen Sitzecke erwarteten den Besucher Kaffee und Schalen mit
Äpfeln und Gebäck. Das sollte natürlich Eltern und mögliche Geldgeber
beeindrucken, aber Mike merkte, dass er selbst tatsächlich beeindruckt war; an
der Schule, aus der er sich an diesem Tag unter dem Vorwand plötzlichen
Unwohlseins vorzeitig fortgestohlen hatte, waren die Fenster zum Schutz vor
mutwilligen Zerstörern und Einbrechern alle vergittert.
    Aber auch in Avery, wo er sich zunächst so verwöhnt vorkam, musste
Mike mit der Zeit entdecken, dass nicht alles Gold war, was glänzte: die
Orientteppiche im eleganten Foyer waren nicht echt und dazu noch voller
Flecken, Kaffee und irgendetwas, das nur Schmieröl sein konnte; das Gebäck –
das von den Kantinenköchen en masse produziert wurde – lag oft tagelang
unberührt in den Schalen, sodass Mike sich fragte, ob man es nicht hin und
wieder abstauben sollte; und die auf den ersten Blick so ehrwürdigen Porträts
zeigten nicht ehemalige Schulleiter, sondern die Förderer der Schule. (Im Lauf
der Jahre entwickelte Mike eine heftige und unerbittliche Abneigung gegen einen
kinnlosen Mann, der auf einem dieser Ölgemälde abgebildet war, einem Förderer
und Kurator, der Mike gegenüber, selbst im Beisein anderer, stets einen Ton anschlug,
als hätte er irgendeinen kleinen Angestellten seines Wall-Street-Unternehmens
vor sich. Ganz besonders ärgerte Mike der Befehl: Und
erledigen Sie das gleich , den dieser Mensch als seine persönliche Kreation
zu betrachten schien.)
    Auch Mikes erster Eindruck von Mrs. Gorzynski
(die für ihn sehr bald schon Kasia wurde) bewies, dass der Schein häufig trügt.
Sie schaute auf, als Mike durch den großen Raum mit dem glänzenden Parkettboden
schritt, und während er sich bemühte, sie gebührend zu beeindrucken, dachte er, Brille, dicklich, Dauerwellen . Er war bereit, sie als Matrone abzuhaken, und hätte doch nicht weiter von
der Wahrheit entfernt sein können. Mrs. Gorzynski
war, wie Mike bald erfuhr, dreimal verheiratet gewesen und verfügte über einen
deftigen Witz und ein herzhaftes Lachen, die auf reiche sexuelle Erfahrung
schließen ließen. Sarah Grace, Mikes Kollegin von der Zulassung, konnte sich in
epischer Breite über täuschende erste Eindrücke auslassen und sie tat es oft.
Gerade der junge Mann, der so offen wirkte und zu den schönsten Hoffnungen
Anlass zu geben schien, konnte sich als Dealer entpuppen, der die jüngeren
Schüler mit Alkohol versorgte. Gerade das Mädchen, das den harmlosesten
Eindruck machte, konnte am Ende die sein, die mit beträchtlichem Gewinn für
sich selbst Hausarbeiten herunterlud.
    Mrs. Gorzynski bat Mike, einen Moment Platz zu nehmen. Sie bot ihm
Kaffee und Kekse an, aber er lehnte dankend ab; es würde kaum gut ankommen,
wenn er die Kuratoren kauend und mit Krümeln am Mund begrüßte. Er war nervös,
aber er war auch Fatalist, selbst wenn er den Posten nicht bekam, sagte er
sich, waren immerhin ein Ausflug in einen besonders schönen Teil Vermonts und
ein Tag fern der verhassten und gefürchteten Arbeit in Hartford für ihn dabei
herausgesprungen. Und die wenigen Minuten erster Eindrücke würden seine
Phantasie beflügeln und einer alten Wunschvorstellung neuen Glanz verleihen.
Vielleicht würde ihn das sogar anspornen, sich aus eigener Initiative nach
einem anderen Posten umzusehen.
    Er wurde von Geoff Coggeshall empfangen und war sich bewusst, dass
sie einander einen Moment lang taxierten wie zwei Schauspieler, die um dieselbe
Rolle konkurrieren. Dann führte Coggeshall ihn in einen Konferenzraum. Fünf
Kuratoren (mehr hatte die Schule so kurzfristig nicht versammeln können) saßen
um einen ovalen Walnusstisch. Sie nickten ihm zu, ohne aufzustehen.
    Man beschrieb Mike seine Aufgaben, dann wurde er eingehend befragt.
Mindestens dreimal bekam er zu hören, dass man lediglich eine Übergangslösung suche (als ob nicht jeder, der des Postens
würdig war, das beim ersten Hinweis begriffen hätte). Er hörte aufmerksam zu,
beantwortete alle Fragen, achtete auf die kleinen Nuancen. Er lächelte, er
scherzte, machte Zusicherungen. Er nickte höflich, stellte selbst ein paar gute
Fragen, und noch ehe er

Weitere Kostenlose Bücher