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Weil sie sich liebten (German Edition)

Weil sie sich liebten (German Edition)

Titel: Weil sie sich liebten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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widmen. Wobei wir
wahrscheinlich nur eines bekommen würden. Wenn überhaupt.«
    »Ich … ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll«, sagte Mike.
    »Denk einfach an mich: Du kannst auch mit fünfzig noch beschließen,
ein Kind in die Welt zu setzen – auch wenn das ganz sicher eine Sünde wäre –,
ich kann das nicht. Hier geht es um mich. Vielleicht müssen wir sogar zu allen
möglichen Ärzten und Kliniken rennen, wenn es nicht gleich klappt.«
    »Und wann genau …?«
    »Der erste Versuch, meinst du? Am Sonntag. Ich habe eine Menge dazu
gelesen. Es gibt viele neue Forschungsergebnisse.« Sie hielt inne und sah ihn
aufmerksam an. »Kann ich mit dir rechnen?«
    Mike konnte nur die Hände ausbreiten, eine völlig unverbindliche
Geste.
    »Der riecht ranzig«, sagte sie und schnupperte über den Tisch
gebeugt an dem Käse, den er hingestellt hatte. »Gibt es nichts anderes? Ich bin
völlig ausgehungert.«
    Mike war versucht, sie darauf hinzuweisen, dass sie lediglich hungrig
war. Er wollte allein sein, um nachzudenken, aber das würde warten müssen, erst
musste er seine Frau versorgen. Bis zum Sonntag waren es vier Tage, immerhin
eine kleine Gnadenfrist. Er konnte sich nicht vorstellen, wie er zu der Frau,
die ihm gegenüberstand und jetzt auch an den Oliven roch, Nein sagen sollte.
Wurden Oliven irgendwann schlecht?
    »Okay«, sagte sie, »denk drüber nach. Wir reden morgen Abend.«
    Morgen Abend , dachte Mike. Ihm rauschte
der Kopf. Morgen Abend, hatte er gehofft, würde er glücklich sein.

Ellen
    N achdem du an einem Laden gehalten hast,
um Zahnbürsten zu besorgen, fährst du auf den Parkplatz des ersten Motels, an
dem ihr vorbeikommt, eines Motels, das du normalerweise niemals betreten
würdest. Neben dir sitzt dein achtzehnjähriger Sohn im rostroten Sweatshirt,
mit der Red-Sox-Baseballkappe auf dem Kopf. Von selbst hat er die ganze Fahrt
kein einziges Wort gesprochen, nur deine simplen Fragen hat er beantwortet.
»Hast du deine Bücher? Ist das alles, was du mitnimmst?« Ob er mit dir in einem
Motel übernachten will, hast du ihn nicht gefragt. Du hast ihn einfach davon in
Kenntnis gesetzt, wie du vorher die Sekretärin des Schulleiters davon in
Kenntnis gesetzt hast, ohne erst auf Erlaubnis zu warten. Dein Sohn sollte
keine Nacht länger in seinem Wohnheim bleiben, auch wenn der Schulausschluss
noch nicht offiziell ist. Du wolltest ihn bei dir haben. Mit so viel wilder
Entschlossenheit hast du schon lange nichts mehr gewollt. Es hat dich erstaunt
und gefreut, dass das noch möglich ist: dieses unbedingte Wollen. Er ist dein
Sohn, und du wirst dich um ihn kümmern, wie du das, denkst du jetzt, die ganze
Zeit hättest tun sollen. Du willst nicht darüber nachdenken, welche Ironie es
ist, dass du ihn von zu Hause fortgeschickt hast, um ihn vor Schaden zu
bewahren, und ihn damit erst Schaden ausgesetzt hast. Schlimmer noch, ihm so
die Möglichkeit gegeben hast, Schaden anzurichten. Ein Gedanke, auf den du nie
gekommen wärst.
    Nein, du wirst jetzt nicht über Ironie nachdenken. Dafür fehlt dir
jetzt der Sinn. Du sagst zu deinem Sohn, der zum Fenster hinausschaut, der
während der ganzen Fahrt zum Fenster hinausgeschaut hat, der es vermeidet, dich
anzusehen, dass du gleich zurück sein wirst. Du findest es bemerkenswert, dass
er die Chuzpe, die Dreistigkeit besitzt, seine Baseballkappe mit dem Schirm
nach hinten zu tragen.
    Ein Detail, aber trotzdem eine Entscheidung.
    Im Büro des Mountain  View
Motel ist niemand. Du musterst den kleinen Empfangstisch mit der Resopalplatte,
den Sessel in der Ecke, den Beistelltisch, wie aus dem Wartezimmer eines Arztes
und gerade groß genug, um eine Zeitschrift auf der Ahornplatte abzulegen, die
Karte, auf der Margaritas in verschiedenen Spielarten angepriesen werden, zu
haben in einer Bar, die vermutlich nicht weit entfernt ist. Du suchst eine
Glocke.
    »Hallo?«, rufst du etwas zaghaft. »Hallo?«
    Du hörst ein Geräusch aus einem Hinterzimmer. Ein Mann mit einem
riesigen runden Bauch tritt aus einer Tür. Er hat gerade gegessen, hält noch
die Papierserviette zusammengeknüllt in der Hand.
    »Ich brauche ein Zimmer«, erklärst du. »Für meinen Sohn und mich.«
    Unversehens kommt dir der Gedanke, dass der Mann dir vielleicht
nicht glaubt; dass er glauben könnte, du wolltest eine Affäre mit einem
Minderjährigen vertuschen.
    »Er ist vom Internat«, fügst du hinzu und bedauerst diese Bemerkung
sogleich. Vielleicht haben die Einheimischen etwas gegen das Internat.

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