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Weil sie sich liebten (German Edition)

Weil sie sich liebten (German Edition)

Titel: Weil sie sich liebten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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auch.
Es ist ja angeblich ganz normal, aber ich habe Angst, dass das, was uns beide
zusammen ausmacht, dadurch irgendwie zu etwas Banalem wird.
    Ich erinnere mich an alles. Ich erinnere mich, wie wir das erste
Mal an der Mobil-Tankstelle halten und Silas aussteigt, um zu tanken. Als er
fertig ist, geht er in den Shop und bringt mir ein Donut mit. Seine Tante macht
die Donuts, sagt er, und am besten schmecken sie ungefähr um sechs Uhr abends,
kurz bevor sie richtig altbacken werden. Silas riecht nach Benzin. Ich breche
das Donut in der Mitte auseinander und gebe ihm die eine Hälfte. Ich küsse ihn.
Er schmeckt jetzt nach Zucker und Gewürzen. Silas läuft zurück in den Shop, um
mehr Donuts zu holen und so mehr Küsse zu ernten. Er kauft alle Donuts, die
noch da sind. Wir fahren in die Berge hinauf, stopfen uns mit Donuts voll und lachen
uns dabei halb tot. Wir essen, bis uns fast schlecht ist.
    Silas hat einen kratzigen Bart, obwohl er sich jeden Tag rasiert.
Nach unserer Küsserei ist mein Mund ganz rot und wund.
    Ende November haben wir einen Schneesturm. Die Internen müssen
zum Unterricht, weil sie zu Fuß hingehen können, aber manche tun so, als
schafften sie es nicht. Die Externen sind befreit. Silas kommt mit dem Auto,
obwohl die Straßen fürchterlich sind und er noch nicht einmal seine
Winterreifen drauf hat. Der Parkplatz für die Externen ist nicht geräumt, und
Silas muss sein Auto vor der Sporthalle stehen lassen. Ich gehe zum
Englischunterricht wie immer, außer mir sind nur noch drei andere da. Wir reden
mit Mr. Taylor darüber, was
wir am Thanksgiving-Wochenende vorhaben, aber eigentlich sieht Mr. Taylor aus, als wollte er nur nach
Hause und wieder in sein Bett.
    Als ich aus dem Klassenzimmer komme, wartet Silas im Korridor. Ich
freue mich so sehr, ihn zu sehen, dass ich ihm gleich an der Tür um den Hals
falle. Ein Tag ohne Silas ist ein leerer Tag, höchstens gut zum Schularbeiten
machen oder zum Üben.
    Silas trägt einen wattierten Parka und eine rostbraune Wollmütze.
Seine Nase ist rot, und er hat vergessen, sich  zu rasieren. Ich weiß, dass er nicht zur
Schule gekommen ist, um einen Aufsatz abzugeben oder eine Klassenarbeit  zu schreiben. Er ist meinetwegen gekommen. Am
liebsten hätte ich ihn gleich da im Korridor geküsst, mitten  im blendend weißen Licht der Fenster. Ms. Epstein und Mr. Taylor stehen in einer Ecke und
reden miteinander, aber Mr. Taylor
schaut immer wieder zu Silas und mir herüber, als hätten wir ihm ein Signal gegeben.
    Silas fährt mich nach Bennington. Ich muss zu einem
Konzertabend. Im Auto liegt seine Hand auf meinem Oberschenkel, während ich im
Stillen immer wieder meine Fingersätze durchgehe. Wir reden nicht. Silas weiß,
dass ich aufgeregt bin, darum fragt er mich gar nicht erst, ob ich aufgeregt
bin. So wie ich lerne, ihm vor einem Spiel keine Fragen zu stellen.
    Die Straße ist auf beiden Seiten weiß, die Fahrbahn voll mit nassem
Streusand und Salz, die gegen die Scheiben spritzen, wenn ein Lastwagen
vorbeifährt. An solchen Tagen ist 
Vermont so trostlos, dass man am liebsten sofort ins Auto springen und
über die Grenze fliehen möchte. Ich spiele mit Studenten zusammen, und wenn ich
mir vorstelle, wie ich oben auf der Bühne stehe, bekomme ich einen ganz
trockenen Mund, und mein Atem wird flach. Silas sagt nicht: Du
machst das schon , und ich finde es gut, dass er nicht lügt.
    Während des Konzerts kann ich Silas hinten in dem kleinen Zuschauerraum
erkennen. Er sieht nervös aus, so wie er bei einem Footballspiel aussieht, wenn
es eng wird. Wie ein Vater, denke ich, der zuschaut, was sein Kind auf der
Bühne macht – für den Vater, oder die Mutter, ist es schlimmer als für das
Kind.
    Nach dem Konzert ist Silas überglücklich, euphorisch. Er umschließt
mein Gesicht mit beiden Händen und küsst mich mitten auf den Mund, ohne
Rücksicht auf Ms. Irving,
meine Musiklehrerin, die nicht gerade erfreut scheint, Silas zu sehen. Sie hat
Noten für mich dabei, sie hat immer Noten für mich dabei, aber die Noten können
warten. Silas meint, ich sei großartig gewesen.
    An meinem Geburtstag, unmittelbar vor den Weihnachtsferien, sagt
Silas, er würde gern mit mir essen gehen. Es gibt nur ein gutes Restaurant im
weiteren Umkreis von Avery. Er hat einen Tisch bestellt.
    Ich war noch nie auf einem richtigen Date, und Silas, glaube ich,
auch nicht. Ich ziehe ein weißes Top und einen schwarzen Rock an und dazu
schwarze Ballerinas. Ich muss meinen Parka

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