Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
Keller ist durchgeschnitten worden.“
„Wer braucht im Keller schon einen Computer? Wein schmeckt man, den computerisiert man nicht. Kein Wunder …“
„Sie meinen, es war die Strafe Gottes?“
„Der hat Feinde genug gehabt, da braucht sich Gott nicht einzumischen.“
„Wen?“
„Fragen Sie im Dorf. Fragen Sie seine so genannten Geschäftspartner. Fragen Sie seine Frau. Aber wehe, sie versucht, mich anzuschwärzen. Fragen Sie den Bürgermeister. Und jetzt raus!“ Er treibt mich vor sich her, meine Wut ist verraucht, ich bekomme es mit der Angst zu tun.
In der Toreinfahrt rufe ich: „Sie sind Jäger, oder?“
„Er auch.“ Er drängt mich hinaus, das Tor fällt zu, ein schwerer Schlüssel dreht sich im Schloss.
Ich gehe hinüber zu den Bertholds, lasse mich von den Fotoreportern nicht irritieren, klingle, keine Reaktion. Ich hätte am Tatort fotografieren sollen, ich war unprofessionell. Was nützt es Hans Berthold, wenn ich weinend am Waldrand stehe? Was nützt es seiner Familie? Vielleicht hätte es Spuren gegeben, die die beiden Polizeibeamten nicht entdeckt haben. Gut, es war ein Team von der Spurensicherung da. Das sind Profis, aber es hängt eben auch davon ab, wie Spuren bewertet werden. Ich komme mit meinem Fiat wahrscheinlich nicht bis zum Wald, der Boden ist zu nass. Ich kann mich auch nicht mit dem Traktor fahren lassen, wer weiß, zu welchen Ideen das bei meinen Kollegen führt.
Ich steige in mein Auto, rufe den lauernden Fotografen zu: „Ich fahre, hier gibt’s nichts mehr zu sehen“, hoffe, dass ich sie überzeuge, fahre tatsächlich Richtung Hauptstraße, drehe dann allerdings wieder um, nehme eine Seitenstraße, glaube, dass sie in die richtige Richtung geht, versuche mich zu erinnern, wo, von den Weingärten aus gesehen, in denen wir am Freitag fotografiert haben, der Hochstand liegt. Hans Berthold mit windgerötetem Gesicht vor blitzblauem Himmel. Der Hochleithenwald ist groß. Und für eine Städterin wie mich sieht ein Waldstück aus wie das andere. Der Hochstand aber ist unverwechselbar: grau verwittertes Holz, überdurchschnittlich hohe Stelzen, das Häuschen mit einem schmalen Schießschlitz, der mich an die früheren Wachtürme im Osten erinnert. Ich kurve herum, biege in einen Feldweg ein, der Boden ist tief geworden, ich muss aufpassen, dass ich nicht stecken bleibe, kenne mich nicht mehr aus, kann auch die Rebzeilen, in denen wir vor ein paar Tagen waren, nicht finden, weiß nicht, was ich dort überhaupt will, fahre dennoch weiter, sehe den Wald näher kommen, ich muss vernünftig sein, ab hier ist der Weg unbefahrbar. Ich merke erst jetzt, dass ich durchnässt bin und friere. Ich stelle den Motor ab, nehme meine Fototasche, mache mich auf den Weg, so lange es noch hell ist. Das Mobiltelefon, nur für den Fall … Vor kurzem noch ist mir die Gegend freundlich erschienen, heute droht der Wald, überall lauert Gefahr. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ein Unfall war. Andererseits: Wäre es nicht möglich, dass jemand auf der Pirsch liegt, falsch reagiert, abdrückt, sieht, dass er jemand erschossen hat, flieht? Wie komme ich an die Ergebnisse der Spurensicherung? Ich sehe mich um, glaube um diese eine Biegung des Waldes zu müssen, dahinter könnte der Platz sein. Ich keuche, stapfe durch einen Acker, Erde klebt an meinen Schuhen, zentimeterdick, ich komme zur Biegung, entdecke dahinter nichts, was dem Tatort ähnlich sieht, versuche mich am Himmel zu orientieren, gehe weiter, steil bergauf, je höher, desto größer ist meine Chance, bin auf einem Hügelrücken angelangt, irgendwo im Nirgendwo, wolkenverhangen, jetzt schwitze ich, dort unten mein Auto, Gott sei Dank, noch hab ich mich nicht restlos verirrt. Und auf der anderen Seite – Waldrand, Hochstand. Ich nehme den neuen Apparat und fotografiere, das Teleobjektiv funktioniert ausgezeichnet, trotzdem, näher. Der Tatort ist noch abgesperrt, aber kein Mensch zu sehen. Den Hügel nach unten. Nahaufnahmen. Mehrere Reifenspuren. Aber die können auch vom Geländewagen der Polizei sein. Was weiß ich, wo sie herumgefahren sind, die tiefere stammt vom Traktor, da bin ich mir sicher. Ich will nicht an den lebenden Hans Berthold denken, suche mir die beste Perspektive, du bist Reporterin, Mira. Ich knie mich nieder, will Hochstand und Waldrand und einen Teil der Rebzeile ins Bild bekommen, dicke Wolken über allem, ein dramatisches Bild, ich halte die Luft an, drücke ab, noch einmal. Ich schreie auf, mein Herz bleibt
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