Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
Polizei sagen. Und ich muss schauen, dass Großvater nicht durchdreht. Außerdem müssen wir morgen Wein abfüllen und überlegen, wer Papas Termine übernimmt. Tante Milli, die Dicke, die da war, sie wird das Begräbnis organisieren.“
Ich nicke, streichle ihr über die Locken. „Komm rein, es ist zu kalt hier draußen.“
Plötzlich beginnt ihr Rücken zu beben, sie umklammert den Schäfer, schluchzt auf: „Er war so super! Er war so super! Egal, was die anderen sagen!“
Ich streichle sie weiter, lasse sie weinen, starre auf mein schlammverkrustetes Auto, das im gepflegten Hof steht. Zeit, zu fahren. Oder soll ich bleiben?
Eva Berthold schüttelt den Kopf. „Ich hab ein starkes Schlafmittel bekommen, das nehme ich, ich brauche Kraft für morgen.“
„Wenn ich Ihnen helfen kann … rufen Sie mich an. Und: Ich muss eine Reportage über seinen Tod schreiben, sonst macht es jemand anderes. Ich schicke Ihnen den Text, ich will nicht, dass irgendetwas drin steht, das Sie nicht wollen.“
„Machen Sie ruhig, es werden eine Menge Berichte erscheinen, Ihnen vertraue ich.“
Ich fahre aus dem Hof, der Hund sieht mir nach, als wäre er uralt. Aber noch kann ich mich nicht in meine Wohnung verkriechen, wahrscheinlich ohnehin besser, nicht zu viel nachzudenken. Was ist, wenn Oskar heute in Frankfurt erschossen wird? Oder an einem Herzinfarkt stirbt? Er wirkt so robust, aber … Noch nie war mir bewusst, wie allgegenwärtig der Tod ist. Ich habe mich um solche Fragen immer herumgedrückt. Ich rufe Oskar an, meine Hand zittert. Vier Klingeltöne, fünf, bitte geh dran.
„Oskar Kellerfreund.“
Ich atme auf. „Oskar?“ Ich erzähle ihm, was geschehen ist.
„Sei vorsichtig“, sagt er zu mir, wie er es schon einige Male im Lauf der Jahre getan hat. Es beruhigt mich, Signal, dass ich schon so einiges durchgestanden, überlebt, manches sogar geklärt habe.
„Sowieso“, antworte ich mit schon viel festerer Stimme, „ich hab dich lieb. Sei auch vorsichtig, pass auf, dass dir kein Stein auf den Kopf fällt und du an keinem Frankfurter erstickst.“
„Die heißen hier Wiener.“
„Ja dann … kann dir ja nichts passieren.“ Beschwörend leichter Ton: „Ich melde mich.“
Ich parke meinen Wagen vor dem Dorfwirtshaus, trete ein, sehe mich vorsichtig nach dem Nachbarn Aichinger um, er ist der Einzige, der weiß, wer ich bin.
Rauchschwaden, an der Theke einige Männer, davon zwei im traditionellen dunkelblauen Arbeitsgewand. Keine einzige Frau im Raum. Neugierige Blicke.
Ich setze mich an den freien Tisch. „Einen Gespritzten hätte ich gerne.“
Der Kellner kommt, bringt ihn mir mit einem interessierten Lächeln. „Sie sind wohl auch von der Presse?“, fragt er. So viel zur Idee, unauffällig zuhören, vielleicht sogar fragen zu können. Ich seufze und nicke.
„Ihre Kollegen sind vor einer Viertelstunde gegangen.“ Er spricht sehr gut Deutsch, sein Akzent aber ist slowakisch, vielleicht auch tschechisch, wer kann das schon unterscheiden.
„Woher kommen Sie?“
Er sieht mich misstrauisch an. „Mikulov, gleich nach der Grenze.“
Also ein Tscheche, aber das hilft mir auch nicht weiter.
Ich trinke meinen Gespritzten und versuche die Stimmung zu erkunden, Gesprächsfetzen aufzuschnappen. Die Männer reden leise, sie werfen mir weiter verstohlene Blicke zu. Ich stehe auf, gehe zur Theke, zahle. „Berthold hatte viele Feinde im Ort – meint Aichinger.“ Ich sage es in den Raum hinein. Mit einem Mal wird es still.
„Der soll lieber Ruh’ geben“, antwortet ein kleines Männchen mit einer Lodenjoppe.
„Eh“, fügt einer im Arbeitsgewand hinzu, „aber eines muss man schon sagen: Beim Joggen wäre von uns keiner erschossen worden. Und wer so groß werden will, der hat halt auch Feinde.“
Der Wirt poliert weiterhin ein Bierglas, er poliert so heftig, dass es springt, ein helles Klirren, ein unterdrückter Fluch, plötzlich reden viele auf einmal, und das Männchen zischt mir zu: „Egal, was die sagen, der Hans, das war ein toller Bursch. Und joggen gehen bei uns schon viele. Die können froh sein, dass er bei uns im Ort war. Wer sonst hätte den Weinladen zustande gebracht? Wer hat Treberndorf früher gekannt?“
„Stimmt“, sagt der Wirt.
Aber ein paar sehen drein, als würden sie bloß nicht widersprechen, weil ich eine Journalistin bin. Oder weil man bekanntlich über Tote nichts Schlechtes sagt. Außer im Wirtshaus. Zu Freunden. Wenn es später geworden ist und man schon einiges
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