Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
Tapeten, gute Lüftung, fast zu strahlend für ein Begräbnis. Ich blicke mich suchend um, sehe zu meinem Erstaunen die drei Aichingers gemeinsam mit einigen anderen Jägern sitzen. Eva entdeckt mich, kommt auf mich zu, ganz Gastgeberin.
„Setzen Sie sich zu uns, Sie kennen ja sonst niemanden. Schön, dass Sie gekommen sind.“
Ich kann mit der ganzen Situation wenig anfangen, murmle etwas von „selbstverständlich“, folge der Witwe, will sie heute nicht mit Fragen quälen, aber: „Die Aichingers sind auch da“, sage ich.
„Ja. Natürlich. Beide Männer waren Jagdkameraden von Hans.“
Jetzt geht ihr die Vergangenheitsform schon wie selbstverständlich über die Lippen.
„Ich meine nur, weil …“
„Es hätte sich nicht gehört, sie nicht einzuladen. Und es hätte sich für sie nicht gehört, nicht zu kommen. Aber sie werden wohl nicht allzu lange bleiben.“
„Ist das alles nicht sehr … anstrengend für Sie?“
„Das Begräbnis?“
Ich nicke.
Sie sieht mich an, als ob sie darüber noch gar nicht nachgedacht hätte. „Anstrengend vielleicht schon, aber auch trostreich. Vielleicht bin ich naiv, aber … die Gemeinschaft gibt einem doch Kraft, egal, was sie sonst sagen oder tun, wenn’s ums Letzte geht, sind sie da, da wird gemeinsam gebetet, man merkt … dass ein Dorf doch mehr ist als eine Ansammlung von Häusern. Außerdem: Was hat jemand, der an gar nichts glaubt?“
Ich schüttle den Kopf, weiß nichts zu sagen.
Eva Berthold redet weiter. „Wissen Sie, das Ganze muss ja nicht wahr sein, das mit dem Leben nach dem Tod, wer kann es wissen, aber die Vorstellung, dass es sein könnte, tröstet. Genauso wie mich die Dorfgemeinschaft tröstet und mir sagt, du bist eine von uns, wir trauern mit dir. Das ist keine Heuchelei.“
„Und … der Mörder?“
Sie sieht mich an. „Wenn es einen Mörder gibt und er aus Treberndorf ist, so hat er mit uns getrauert.“
„Vergebung unserer Sünden und so …“
Ihre Augen werden hart. „Gott ist der, der vergibt. Ich bin nicht Gott. Ich will …“
Ich wollte sie nicht aufregen, lege ihr beschwichtigend die Hand auf den Arm, habe nicht bemerkt, dass eine Frau mit einer wallenden roten Mähne auf uns zugestrebt ist, dunkellila Kleid, fast wie ein Priestergewand. Sie starrt mich an und zischt der Winzerin zu: „Weg mit der, die hat ein schlechtes Karma!“
Ich schaue sie entgeistert an, sie schwebt in ihrer ganzen Leibesfülle wieder davon. „Wer …“
Eva Berthold versucht ein Lächeln. „Das ist Clarissa Goldmann, vielleicht hast du schon von ihrem ‚Verein der Kinder der Natur‘ gehört. Sie hat den alten Gutshof in der Nähe von Treberndorf geerbt, eine Bruchbude, und versucht ihn zu revitalisieren. Eine harmlose Spinnerin. Wie kommt sie darauf, dass du … dass Sie …“
„Lassen wir es beim Du“, lächle ich und versuche mich zu beruhigen. Sehr witzig ist es nicht, wenn jemand unvermittelt „weg mit der“ sagt. „Ich kenne sie nicht, seltsam, oder?“
„Vielleicht erzählt jemand Geschichten über dich“, vermutet Eva. „Oder du kennst einen ihrer Schützlinge. Übrigens: Du kannst wählen zwischen Würstel mit Saft, Wiener Schnitzel und Schweinsbraten. Nichts Besonderes, aber da muss man vorsichtig sein: Protzt man bei einem Begräbnis, ist man gleich ein Verschwender, spart man, ist man ein Geizhals. Und das ist die goldene Mitte der Tradition. Außerdem: Solche Sachen macht Frau Herbst wirklich ordentlich. Die Weine sind übrigens von uns, das haben wir so vereinbart. Sie sollen alle sehen, wie gut Hans war. Wer weiß, ob ich …“
„Du wirst es schaffen.“
Da bin ich mir drei Stunden später gar nicht mehr so sicher. Ich habe die Bertholds heimbegleitet, Martina wollte mich nicht gehen lassen. Inzwischen weiß ich auch, dass die Einsegnung vor dem eigentlichen Begräbnis stattfindet, wenn das Begräbnis also für drei Uhr angekündigt ist, dann sollte man spätestens um halb drei bei der Kapelle sein. Und: Die meisten Trauergäste kondolieren der Familie schon dort, es hat also auch nichts zu bedeuten, dass am Friedhof lange nicht alle Eva Berthold die Hand gegeben haben.
Vor dem Tor ein großer, schwarzer Mercedes. Neuestes Modell. Zwei Männer sitzen drinnen, warten.
Mafia, ist mein erster Gedanke. Lächerlich.
Ich sehe Eva Berthold an, überlege, wie ich sie schützen kann. Aber sie seufzt nur, als sie die beiden sieht. „Sie konnten wohl nicht mehr länger warten“, meint sie, „das sind die von der
Weitere Kostenlose Bücher