Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi

Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
Vom Netzwerk:
Begräbnis ist um drei, wenn es nicht endlich vorangeht, komme ich zu spät. Ich hetze die Bundesstraße hinaus, schaffe es gerade noch zehn Minuten vor drei, finde rund um die Treberndorfer Kirche keinen einzigen freien Parkplatz mehr, stelle meinen Fiat einfach in einen Acker, renne zum Friedhof – und sehe, dass ich zu spät bin. Vor der Einsegnungskapelle stehen hundert, vielleicht auch zweihundert Menschen, versammelt wie die Krähen im Herbst. Von drinnen klingt der Gesang des Kirchenchores heraus. Ich versuche mich möglichst unauffällig zur Trauergemeinde zu gesellen, ernte trotzdem eine Menge neugieriger Blicke. Ist es, weil man mich nicht kennt? Ist es, weil ich mich mit Weinviertler Begräbnisritualen nicht auskenne und zu spät gekommen bin?
    Der Pfarrer betet etwas von der Auferstehung der Toten, eine schlechte Tonanlage überträgt es nach draußen, ab und zu ein Quietschen, ein Zischen, so als sei der Draht zum Himmel eben doch nicht ganz perfekt. Mir wäre es recht, Hans Berthold könnte ganz real wieder aufstehen. Die Kapelle sieht aus, als hätte ein katholischer Architekt in den Sechzigerjahren einen Albtraum gehabt, achteckig und mit seltsamen braunen Schnörkeln verziert, dazu Fenster wie Schießscharten. Unmittelbar vor dem Eingang haben sich offenbar die örtlichen Vereine zusammengeschart: Männer in Feuerwehruniformen – nicht alle von ihnen sehen wirklich sportlich aus. Eine Gruppe von überwiegend alten Frauen mit dem Rosenkranz in der Hand. Männer in einer Art Trachtenanzug, alle einen grünen Buschen am Revers. Vermutlich Jäger. Ich sehe genauer hin. Da steht auch Aichinger senior. Der neben ihm könnte sein Sohn sein. Sie sehen betreten zu Boden, wie alle anderen auch. Der ganze Ort scheint gekommen zu sein, um Hans Berthold zu verabschieden. Wüsste ich es nicht besser, ich würde schwören, dass ihn ganz Treberndorf geliebt hat. Die Musiker stehen etwas abseits, das Seltsamste an ihrer Kostümierung sind die dicken weißen Kniestrümpfe. Sie erwecken noch am ehesten den Eindruck, als handle es sich nicht um persönliche Trauer, sondern um gesellschaftliche Pflicht. Zwei junge Burschen mit einer Trompete in der Hand tuscheln und starren auf ein blondes hübsches Mädchen mit einer Querflöte. Ich gehe vorsichtig einige Schritte weiter, sehe jetzt auch ins Innere der Kapelle. Da stehen, ganz in Schwarz, die nahen Angehörigen, der Pfarrer, der Kirchenchor. In der Mitte der Sarg. Es wirkt, als sei man so eng wie möglich zusammengerückt, in „der Stunde des Todes“, von der der Pfarrer in das knarrende Mikrophon spricht, auf dass niemand sonst herausgerissen werde aus dem Leben und aus Treberndorf.
    Vaclav, Ana und Tomek stehen als Grüppchen für sich, keine Angehörigen, keine Vereinsmitglieder, nicht einmal gebürtige Treberndorfer. Ana weint, hält ein Taschentuch an die Nase gedrückt. Tomek sieht in seinem dunklen Anzug aus wie die Karikatur eines Raben. Die Veranstaltung gerät in Bewegung, vier Feuerwehrmänner gehen zum Sarg, nehmen ihn auf, der vorne rechts schwankt zuerst etwas, erntet einen bitterbösen Blick von dem hinten links, dann ist die Balance gefunden. Da soll Hans Berthold drinnen liegen?
    Die Musikkapelle hat sich aufgestellt, die große Trommel wummert, einzelne Schläge, Rhythmus zum Gehen, Herzschlag, dann wird ein Trauermarsch intoniert. Der Pfarrer – er trägt noch eines dieser altmodischen Messgewänder mit Spitzen – geht mit seinen Ministranten voran, eigentlich sind es überwiegend Ministrantinnen. Es wird geklingelt und hinter dem Sarg schließt die Trauerfamilie an. Jetzt sehe ich Eva Berthold deutlicher. Sie trägt ein schlichtes schwarzes Mantelkleid, einen einfachen Hut, sie sieht aus, als hätte sie zehn Kilo abgenommen, knochig, eckig, marionettenhaft. Christian hat sie untergehakt und blickt angestrengt nach vorne, Martina schaut zu Boden, sie geht mit dem Großvater. Ich bemerke, wie sein Blick heimlich über die Trauergemeinde schweift. Ob er nach dem Mörder seines Sohnes sucht? Nach dem unglücklichen Schützen, der nicht bereit war, seinen fatalen Fehler einzugestehen? Die Vereine schließen an, dahinter der Rest der Trauergemeinde, ich gehe ganz zum Schluss, entdecke das kleine Männchen, das im Gasthaus für Hans Berthold gesprochen hat, nicke ihm mit ernstem Blick zu. Er nickt zurück.
    Vielleicht kann ich ihm ein paar Fragen zu Aichingers Anschuldigungen stellen. Was heißt, Berthold wollte ihm den Weingarten wegnehmen? Der

Weitere Kostenlose Bücher