Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
Nach zehn Jahren im Land besteht an sich ein Rechtsanspruch auf die österreichische Staatsbürgerschaft. Sie hat sie beantragt – und jetzt wird sie unter die Lupe genommen. Die Blauen hetzen wieder einmal gegen den Zuzug von „Fremden“ – sie sind mir viel fremder als mir Vesna jemals sein könnte – und haben die Stadtverwaltung von Wien dazu gebracht, bei allen, die sich um die Staatsbürgerschaft bewerben, nachzuforschen. Vesnas Aufenthaltsstatus ist in Ordnung, er leitet sich vom Aufenthaltsrecht ihres Mannes ab. Aber: Sie sind dahinter gekommen, dass Vesna seit zehn Jahren illegal als Putzfrau arbeitet.
„Sehr witzig“, sagt Vesna, als wir in einem Innenstadt-Café sitzen und die Lage besprechen, „ich wollte Arbeitsgenehmigung, habe sie nicht bekommen. Was soll ich tun? Verhungern?“
Schlimm ist, dass sie jetzt auch Vesnas bestem Arbeitgeber, einem Notar im ersten Bezirk, mit einer Anzeige wegen Schwarzbeschäftigung drohen.
„Er hat sich ja wirklich einiges an Sozialabgaben erspart“, murmle ich. Auf mich sind sie zum Glück nicht gestoßen, in Privathaushalten wird offenbar nicht so genau nachgesehen, aber wer weiß, vielleicht kommt das noch.
„Statt Staatsbürgerschaft drohen sie mir mit Ausweisung“, stellt Vesna so sachlich wie möglich fest. Ihre Zwillinge sind von Anfang an in Wien in die Schule gegangen. Ich bekomme eine Riesenwut. „Ich bringe das ins ‚Magazin‘!“
Vesna schüttelt den Kopf. „Wenig klug, bin ich Schwarzarbeiterin, die sich eingeschlichen hat. Für viele zumindest.“
„Sie können dich nicht ausweisen. Du hast ein Aufenthaltsrecht.“
„Solange Mann mich behält. Und: Wir streiten.“
„Ernsthaft?“
Vesna zuckt mit den Schultern: „Ist nicht so ernst, aber mit so was im Hintergrund … kann ernst werden. Er sagt, du kannst nur da sein, weil es mich gibt. Ich sage: Will ich nicht von deiner Gnade leben und tun müssen, was du willst.“
„Wenn du die Staatsbürgerschaft hättest, hättest du automatisch eine Beschäftigungsbewilligung.“
„Ja, aber Staatsbürgerschaft kriege ich nicht, weil ich keine Beschäftigungsbewilligung gehabt habe, sondern schwarz Geld verdient. Notar muss mich rauswerfen.“
Ich habe eine Idee: „Ich werde für dich um eine Beschäftigungsbewilligung als Putzfrau für ein paar Stunden in der Woche ansuchen.“
„Dann kommen sie darauf, dass ich schon lange bei dir arbeite.“
„Ich mache es so, dass sie den Verdacht haben, ich recherchiere gleichzeitig für das ‚Magazin‘. Und ich versuche auch den Notar dazu zu bringen, um eine Beschäftigungsbewilligung für dich anzusuchen.“
Vesna schüttelt zweifelnd den Kopf. Es tut mir weh zu sehen, dass sie nicht weiter weiß. Ich will sie ablenken, erzähle ihr vom Begräbnis und von den Anschuldigungen des Nachbarn.
„Der war es“, sagt sie, „Neid ist gutes Motiv und sieht aus, dass dein Winzer kein ganzer Engel war. Kunden wegnehmen und Weingärten …“
„Alles legal.“
„Legal ist auch, was die jetzt mit mir machen.“
Ich sitze in der Redaktion, kann mich nicht konzentrieren, denke trotz allem über eine Story über die bosnischen Kriegsflüchtlinge und ihre Staatsbürgerschaftsansprüche nach. Das Telefon läutet, ich hebe ab.
„Eva, Eva Berthold ist da. Ich habe … eine etwas seltsame Bitte. Ich soll heute Abend den Spirit-of-Wine-Preis entgegennehmen. Ich muss eine Rede halten. Ich hab mich lange darum herumgedrückt und außerdem sowieso keine Zeit gehabt. Wir sind von früh bis spät in den Weingärten. Wenn wir nicht rechtzeitig gegen die Kräuselmilbe spritzen, haben wir sie am Hals. Die Reben beginnen auszutreiben, wir müssen sie erwischen, bevor sich die Blätter öffnen. Du kannst so gut schreiben. Ich brauch’ nicht viel zu sagen, aber … Könntest du es vielleicht für mich aufsetzen?“
„Was ist das für ein Preis?“
„Er wird jedes Jahr vergeben, pro Land bekommen ihn drei Winzer für besondere Verdienste um den Weinbau, es geht um naturnahen Anbau, weniger um Technik als um die … Seele des Weines eben, was immer das ist. Heuer haben wir ihn bekommen.“
„Gratulation, natürlich, ich mache es. Wie geht es mit der Bank?“
Eva seufzt. „Nichts zu hören. Ich hab ihnen meinen Bericht gegeben, sie hocken hinter ihren Schreibtischen und warten ab.“
„Und sonst … Neuigkeiten?“
„Nein. Doch, etwas Positives: Die Japaner haben tatsächlich bestellt: ein paar Paletten vom Riesling – das Problem ist nur, der geht
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