Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
Räumen und den Flügeltüren. Nur: Sie ist immer noch feucht, braucht Wochen, um durchzutrocknen. Die Hauseigentümer machen Schwierigkeiten. Sie wollen den Schaden zwar grundsätzlich bezahlen, aber um jedes Detail wird gefeilscht. Gibt es nicht auch so etwas wie Schmerzensgeld, wenn man von daheim weg muss?
Aber was täte ich mit Gismo, wenn ich zu Oskar ginge? Ich streichle meine Katze, die wie fast immer auf dem Fensterbrett sitzt und hinausstarrt. Sie beginnt nicht zu schnurren, sondern sieht mich nur missmutig an. Die schlechte Laune scheint sich auf sie übertragen zu haben.
Der Weingroßhändler hat sich immer noch nicht entschieden, aber Eva ist so gut wie sicher, dass der Auftrag weg ist. Ich kann ihr schwer widersprechen. Meine Begeisterung für den Weinbau und alles, was damit zusammenhängt, hat sich gelegt. Letztlich gibt es auch hier viel Routine, viel Alltag. Von genießerischer Gemütlichkeit ist nur hie und da etwas zu spüren, dann, wenn wir am Abend in der Küche sitzen, und nach Weinverkostungen, falls nicht alle zu müde sind, um in Ruhe noch eine halbe Flasche leer zu trinken und über die gelungene Präsentation zu reden. Ob Eva vielleicht doch etwas mit dem Tod ihres Mannes zu tun hat? Aber wie hätte sie das Ablenkungsmanöver im Barriquekeller inszenieren können? Oder hat es sich dabei um einen Unglücksfall gehandelt? Irgendjemand hat beim Saubermachen eine der untergelegten Latten oder ein Fass um Millimeter verschoben, dadurch ist alles langsam, ganz langsam aus dem Gleichgewicht gekommen. Vielleicht hat es schon gereicht, dass wir die leicht abschüssige Kellerröhre betreten haben. So viele Unglücksfälle in einem Jahr? Jedenfalls habe ich darüber nicht geschrieben. Es hätte wohl auch niemanden interessiert. Beim „Magazin“ verdiene ich jetzt regelmäßig und mehr. Das zumindest ist positiv. Nächste Woche muss ich für einige Tage nach Salzburg, ich mache eine Reportage über die Vorbereitungen für die Salzburger Festspiele samt Jedermann und Feierlichkeiten und dem ganzen Drumherum. Ich freue mich darauf. Außerdem habe ich erfahren, dass das Weingut Kaiser einer der Sponsoren ist. Passt wunderbar, ich werde mit dem Sponsoring-Verantwortlichen reden, ist ja auch für meine Story interessant.
In der Küche sitzt Martina, ihre Jeans sind schmutzig, sie riecht nach Chemie. Sommerferien. Sie ist mit Ach und Krach durchgekommen. Warum will dieses zierliche Mädchen, das nicht anders wirkt als die vielen überschlanken, aufgeweckten Mädchen aus der Stadt, unbedingt den elterlichen Weinbau übernehmen? Sie hat die braunen Locken ihrer Mutter und die blauen Augen ihres Vaters geerbt – und die Sturheit von beiden. Irgendwie beneide ich sie darum, dass sie so genau weiß, was sie will. Sie trinkt Tee, beinahe hastig.
„Ich muss wieder weiter“, sagt sie zu mir anstelle einer Begrüßung, „wir haben noch eine Menge zum Spritzen. Bei diesem Wetter müssen wir alle zwei Wochen einen Durchgang schaffen, vor allem der Mehltau freut sich so richtig über das feuchte Wetter. Noch ist alles gesund, aber im Ort gibt es schon einige mit ziemlichen Schäden. Aber wir dünnen mehr aus als die meisten. Das hilft. Außerdem muss ich heute Nachmittag den Sohn vom Dr. Moser betreuen.“ Sie rümpft die Nase. „Irgend so ein Typ, der in einem Internat war, die Mosers sind ja geschieden. Vor ein paar Jahren war er einmal da, entsetzlich hochnäsig, nur weil er der Sohn von einem Anwalt ist. Aber Dr. Moser kann erst morgen kommen und dieser Simon kommt schon heute mit dem Zug an. Da arbeite ich lieber von früh bis spät in den Weingärten.“
Ich nicke, auch wenn ich das nicht wirklich nachempfinden kann. In den letzten Tagen bin ich einige Male mitgegangen, habe Blätter aus der Traubenzone entfernt, Geiztriebe ausgerissen, die Haupttriebe in die Drähte eingestrickt. Die ersten beiden Stunden ist die Arbeit schön, wenngleich ich mit den anderen nicht Schritt halten kann. Danach wird sie eintönig, zumindest für so eine wie mich, die kein besonderer Naturfreak ist. Den Wein zu kaufen, womöglich direkt beim Produzenten, die eine oder andere nette Geschichte darüber zu hören, das reicht mir eigentlich. Man muss nicht immer miterleben, wie viel Schweiß für den Genuss fließt.
Ich fahre zum „Magazin“.
„Die Weinbäuerin“, spöttelt Droch. Er ist einer der wenigen, die nicht auf Sommerferien sind. Ich versuche ihn zu ignorieren. „Schlecht aufgelegt, was?“, bohrt er weiter.
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