Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
Einheitsgeschmack angeht, haben Sie natürlich Recht. Kein Weinliebhaber will den. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass die meisten Menschen eher Konsumenten als Liebhaber sind. Sie wollen ihren Lieblingswein genau so und nicht anders, wenn er ihr Lieblingswein bleiben soll.“
Ich schenke mir einen Schluck ein, koste und bin sicher: Kaiser hat keinen einzigen Wein, der an diesen herankommt.
Eva steht auf und bittet weiter in den Barriquekeller, sie nimmt den Weinheber vom Haken, Gläser sind vorbereitet, sie schenkt uns jeweils fünf Fassproben ein, um Unterschiede in der Reife der Weine, der Toastung des Holzes und die verschiedenen Reaktionen der einzelnen Sorten darauf zu beschreiben. Es ist quasi ihre Meisterprüfung, hier muss es ihr gelingen, sich als „Winemaker“ von internationalem Format zu verkaufen. Eva hat gelächelt, als ich ihr das bei der Planung der Choreografie des heutigen Tages gesagt habe. „Darüber zu reden ist einfach. Nur, das richtige Gespür zu haben, zur richtigen Zeit die richtigen Weine aus dem Barrique zu nehmen, sie umzufüllen, zu verschneiden, das ist schwierig. Da wird mir mein Mann besonders fehlen.“
Jemand kommt vom Verkostungskeller. Ich drehe mich rasch um, denke für einen Moment an Aichinger, aber es ist Franjo. Er sieht sich zweifelnd um. Eva runzelt die Stirn. Das war nicht eingeplant. „Vaclav lasst fragen, wir Sauvignon füllen oder…“
„Natürlich, Franjo, das war vereinbart. Wenn ihr vom Weingarten zurück seid, muss der Sauvignon gefüllt werden.“
Zum Großhändler gewendet lächelt sie: „Ich lasse den Wein gern einige Wochen in der Flasche ruhen, bevor er in den Verkauf kommt.“
„Tüchtig, tüchtig“, sagt Gerold leutselig in Richtung Franjo, „woher kommen Sie?“
„Slowakei“, sagt Franjo.
„Können Sie mir noch einen Schluck aus dem zweiten Fass dort bringen?“
„Ich mach’ das“, sagt Eva eilig.
„Lassen Sie ihn bloß, wir haben Sie schon genug herumgehetzt.“
Offenbar bin ich übermüdet. Mir ist, als würden sich die Barriques zu bewegen beginnen, die in vier Lagen gestapelten Fässer auf der Schmalseite des Ganges scheinen Millimeter für Millimeter auf uns zuzukommen, der Gang ist leicht abschüssig, bevor ich noch blinzeln oder gar etwas sagen kann, geht alles ganz schnell, ein Grollen wie bei einem Erdbeben, die Fässer rollen mit dumpfem Poltern auf uns zu, eine Naturgewalt, Schreien, Franjo kann nicht mehr weg, wird umgerissen, ich stürze mit den anderen zur Tür zum Verkostungskeller, ein Fass birst, blutrot überall, hinaus, ich taumle, falle über jemanden. Danach Ruhe. Ich höre bloß, wie Wein aus einem Fass rinnt. Eva ist die Erste, die sich aufrappelt. „Sind Sie verletzt?“, fragt sie, und ihre Stimme zittert.
„Durchnässt“, antwortet Gerold, „verletzt … ich glaube nicht. Doch. Mein Knöchel.“ Wir helfen Gerold beim Aufstehen, sein Anzug ist voller Rotwein, er tritt vorsichtig auf, stöhnt, versucht es dann noch einmal. Seine drei Begleiter stehen mit hängenden Armen neben ihm. Sie waren etwas weiter hinten im Keller, als es losgegangen ist, konnten schneller fliehen. Eva läuft in den Barriquekeller, ich hinter ihr drein: „Oh Gott“, schreit sie, als sie das Chaos sieht. Drei Fässer sind geborsten, alles liegt kreuz und quer.
„Franjo!“ Sie steigt über Fässer, Weinlachen und Fasstauben zu ihm.
„Sei vorsichtig“, warne ich sie.
Franjo liegt eingequetscht zwischen Kellermauer und Fässern. Er ist bei Bewusstsein.
„Alles in Ordnung, Chefin“, sagt er, dann sackt er zusammen. Die Delegation verabschiedet sich, ohne vom Schweinsbraten auch nur gekostet zu haben. Gerold lässt sich zumindest noch überreden, seine nasse Hose zu wechseln, er bekommt eine vom Großvater, die ihm um einiges zu kurz ist, aber die Sachen von Hans hat Eva gleich nach seinem Tod hergegeben. Die Weingroßhändler versichern, wie Leid ihnen der Vorfall tue, nein, natürlich entscheide das nichts, man werde in Ruhe in Frankfurt die Unterlagen prüfen und lasse Eva dann das Ergebnis wissen. Trotzdem: Fast ist es Flucht.
„Damit ist alles vorbei“, sagt Eva und sitzt erledigt am Küchentisch. „Der Auftrag weg, drei der besten Fässer weg, Chaos im Barriquekeller. Wenigstens war Franjo tageweise angemeldet, sonst hätte ich jetzt auch noch die Sozialversicherung am Hals.“
„Tageweise?“
„Er ist in der Probezeit, da ist das normal, im Gegenteil, die wenigsten melden ihre Arbeiter in dieser Zeit
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