Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
mich wieder auf die Trauben, versuche keine Fehler zu machen. Denke an den wunderbaren Riesling vom letzten Jahr. Der muss selbst Gott gefallen oder der Göttin, den Göttern. Hier oben, am Morgen in den Weinhügel könnte man fast wieder anfangen zu glauben. Wenn auch nicht genau an das Gleiche wie die alte Frau Hofer.
Erst als wir kurz Rast machen und beim Auto Wasser trinken, reden wir wieder über das, was Franjo erzählt hat. Wie könnten Gerold und die Kauf-Gruppe davon erfahren, ohne dass wir diejenigen sind, die das Weingut Kaiser anschwärzen? Ein Zeitungsartikel. Ich weiß, dass ich die Story ohne handfeste Beweise nicht schreiben kann. Vielleicht sollte man den Finanzbehörden einen Tipp geben, überlege ich. Eva schüttelt den Kopf. „Das wünsche ich niemandem, nicht einmal den Kaisers. Außerdem: Es dauert ewig, bis da etwas herauskommt. Und ob man davon erfährt? Ganz abgesehen davon: Wenn sie unter der Hand Billigwein kaufen und ihn unter der Hand als Qualitätswein weiterverkaufen, dann scheint er nirgendwo auf. Man müsste sie schon dabei ertappen, wie sie ihn ausliefern.“
„Und wie kommt man an Barriquechips?“
„Das ist kein Problem, die gibt es in vielen Weinbaubedarfhandlungen, man darf damit angemeldete Versuchsreihen durchführen.“
„Und der Wein schmeckt wirklich gleich, wie wenn er im Barriquefass gelagert wurde?“
„Bei der richtigen Dosierung vielleicht schon. Aber das ist noch nicht alles: Es gibt Sauerstoffflaschen, mit denen man in die mit Chips angereicherten Tanks exakt so viel Sauerstoff bringen kann, damit quasi die gleichen Reifungsvoraussetzungen wie in einem Barriquefass gegeben sind. Hightech.“
„Und warum ist es bei uns verboten?“
„Man ist eben immer noch der Meinung, dass der Wein in gewissem Sinn ein Naturprodukt bleiben soll.“
Bei computergesteuerter Gärkurve, punktgenauem Spritzen, Schädlingswarnung per SMS und chemischer Analyse, Nachbesserungen nicht ausgeschlossen. „Bloß: Wo ist die Grenze?“, frage ich.
Wir sind einer Meinung, dass es zu gefährlich ist, wenn Franjo bei Kaiser versucht Beweise zu sammeln. Was, wenn er ertappt würde? Ich glaube zwar nicht, dass sie den Mut haben, die Polizei einzuschalten, aber wer weiß? Eva kann es sich nicht leisten, auch noch Franjo zu verlieren.
Das Gespräch, das Eva mit Dr. Moser führt, bestärkt sie in ihren Vorurteilen gegen die Wiener nur noch. Sie erzählt mir empört, er habe einfach gemeint, sein Sohn sei mehr oder weniger erwachsen, und wenn er eine Party feiern wolle, dann solle er das tun. Jetzt sei Sommer und im Herbst müsse er ohnehin mit dem Jusstudium beginnen. Wenn sie Martina verbiete, mit dabei zu sein, dann respektiere er das – jedenfalls habe sie mit Sicherheit niemand dazu gezwungen, so viel zu trinken. Und außerdem: Ob sie schon einmal daran gedacht habe, dass ihrer Tochter auch unbeschwerte Ferien zustünden?
„Als ob ich sie zum Arbeiten zwingen würde“, faucht Eva, als sie mir vom Gespräch erzählt. „Wer war es, der darauf bestanden hat, aus dem Halbinternat auszusteigen und jeden Nachmittag heimzufahren, um noch im Weingarten zu helfen? Sie selbst.“
Martina unterstützt ihre Mutter zwar tagsüber, aber sie tut es mürrisch, zeigt unmissverständlich, dass sie es nicht ihr zuliebe, sondern der Sache wegen, des Weines wegen tut. Am Abend verschwindet sie spätestens dann, wenn Eva schlafen gegangen ist.
„Was kann ich tun? Ich kann sie nicht festbinden“, klagt Eva.
Martina schläft viel zu wenig, sie wird noch dünner, ich mache mir Sorgen, aber wenn ich mich einmische … was soll das nützen? Der Großvater sagt dasselbe, auch ihm ist ihre Freundschaft mit Simon nicht recht, er will Simon zur Rede stellen, aber der taucht sicherheitshalber nicht mehr auf, sondern wartet mit laufendem Motor vor dem Haus.
Ich gebe vor, mich auf das Interview mit dem Darling des Sommers, einer weißrussischen Opernsängerin mit Idealmaßen und Ausflügen ins Pop-Fach, vorzubereiten, in Wirklichkeit aber will ich den Sommer genießen. Gerade habe ich in der Küche mein Lieblingsgetränk für heiße Tage gemixt: ein großes Glas, darin viel Eis, etwas Veltliner, viel Sodawasser und einen Schuss Campari. „Grande Sprizz“ sagt Gianni dazu, er verwendet freilich Prosecco statt Veltliner. Sein kleines Hotel im Veneto … Jetzt ist es bei uns auch schön, aber im Herbst … Vielleicht kann ich Oskar überreden. Eva überlegt, im nächsten Jahr selbst einen leichten
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