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Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi

Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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unterscheiden, zu begreifen, welche Traube die beste ist und welche weg gehören. In der Hand halte ich eine Rebschere, die der, mit der Aichinger das Computerkabel durchgeschnitten hat, genau gleicht – bis auf die Einkerbung. Eva greift einige Male ein, entwickelt eine erstaunliche Geduld und erklärt mir, woran ich die Traube erkenne, die dran bleiben soll. Mir wird klar, wie sehr ihr Herz am Weinbau hängt. Ob es nicht schade sei, so viel wegzuschneiden, frage ich sie.
    Eva lächelt. „Wenn wir es nicht machen, dann werden die Trauben einfach nicht reif genug. Heuer könnten wir den dreifachen oder vierfachen Ertrag im Vergleich zu anderen Jahren bekommen, so wie der Regen alles wuchern hat lassen, aber die Qualität leidet. Die, die den Wein im Fass verkaufen, die schneiden nichts hinunter. Aber dafür kriegen sie pro Liter auch bloß zwanzig, fünfundzwanzig Cent.“
    „Manninger hat mir erzählt, dass es viel größere Weinlieferanten gibt als Kaiser.“
    „Ja klar, aber das ist dann wirklich eine andere Liga. Die haben gar keine Lust, sich ins Qualitätssegment zu drängen. Die verkaufen den Mist, den die Leute im Supermarkt als Wein präsentiert bekommen.“
    Ich arbeite mich vorwärts, bin trotzdem nicht einmal halb so schnell wie Eva. Südwind geht, die Sicht ist gut, ich sehe meine Stadt, hinter uns in der Rebzeile eine Spur von unreifen Trauben und Blättern. Ich bin noch immer nicht ganz wach, zwicke ab, bewege mich weiter. Auch Eva sagt nicht viel, gibt nur hie und da eine Anweisung. Wir haben sie gar nicht wahrgenommen, plötzlich steht sie da: eine alte, kleine Frau in blauer Kleiderschürze, schimpfend, die Arme in die Seiten gestemmt.
    „Eine Sünde ist das, was ihr da macht! Der Herrgott wird uns den Hagel schicken! Die guten Trauben auf den Boden werfen, dafür hat er sie nicht wachsen lassen! So weit bringt euch eure Hoffart, kein Wunder, wenn alles zugrunde geht, war dir die Strafe noch nicht genug, Eva? Gotteslästerung ist das!“
    Mir bleibt der Mund offen, Eva murmelt etwas wie: „Ist schon gut, Frau Hofer. Wir müssen etwas runterschneiden, es ist zu viel drauf und der Herrgott will sicher guten Wein.“
    „Du brauchst mir nichts einzureden, ich weiß, was ich weiß. Beichten solltest du gehen und den Herrgott um Vergebung anflehen, dumme junge Leute, die glauben, sie wissen, wie alles geht! So eine Verschwendung! Ihr habt ja gar keine Ahnung mehr, wie wir haben arbeiten müssen, ihr mit euren Traktoren und Maschinen. Wir haben noch gewusst, dass jede Traube heilig ist. Jetzt überall nur noch Verschwendung! Der Hagel …“
    Eva zischt mir zu: „Mach weiter, schneller, nur so entkommen wir ihr, hör einfach nicht hin.“
    „Hört nur weg“, schreit die Alte, „das wird euch nichts nützen, der Herr sieht alles! Er wird dich wieder strafen!“
    „Du hast noch nie den ‚Winzer‘ gelesen, Hoferin, oder?“, ruft Eva jetzt doch zurück. „Da steht es drin, wie viel am Stock hängen darf, damit man einen Qualitätswein bekommt.“
    „Wir haben keine Zeitungen für so etwas gebraucht, hätten wir uns gar nicht leisten können!“
    „Außer dem Kirchenblatt.“
    „Da steht etwas anderes drin, das solltest du lesen, da wird jede Traube gepriesen.“
    „Da steht auch drin, dass man aus Wasser Wein machen kann.“
    „Versündige dich nicht, aus Wasser Wein machen, das kann nur der Herrgott. Dankbar sollten wir sein für alles, was er uns schenkt. Aber dich hab ich ja schon lange nicht mehr in der Kirche gesehen.“
    „Einen schönen Tag noch, Frau Hofer. Sie haben sicher eine Menge Arbeit.“
    „Ja, die hab ich. Ich muss scheren. Das Unkraut vom Kraut trennen. Hab keine Zeit, aber warnen muss man vor der Gotteslästerung. Ich kann mir das nicht anschauen und schweigen.“
    „Ich lass Ihnen einmal ein paar Flaschen Wein hinüberbringen.“
    „Mir ist mein eigener gut genug. Und jetzt hab ich zu tun.“
    Ich sehe aus dem Augenwinkel, wie sie unter ein paar Rebzeilen durchschlüpft, dann zu einem Werkzeug mit langem Stil greift und damit energisch zwischen den Reben herumzuharken beginnt.
    „Und was war jetzt das?“
    Eva lacht leise. „Die Alten haben sich noch nicht alle damit abgefunden, dass Weinbau heute anders funktioniert. Und sie ist eine der Anführerinnen der gottgefälligen Fraktion. Sie muss schon über achtzig sein, gut beinander, muss man schon sagen.“
    „Aber etwas … schrullig.“
    „Da gibt’s Jüngere, die das so sehen wie sie.“
    Ich konzentriere

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