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Weine nicht, Prinzessin

Weine nicht, Prinzessin

Titel: Weine nicht, Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Philipps
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Mutter?«
    »Deine Mutter hat Talent und hätte vielleicht eine große Karriere machen können, aber sie hat sich nun mal für ein anderes Leben entschieden. Hauptsache, sie ist glücklich und das ist sie offenbar. Aber du könntest in meine Fußstapfen treten. Wenn du so weitermachst, gehören die Bühnen der Welt eines Tages dir.«
    Lara stellt ihre Blumen in die Vase vor dem Grabstein und zupft das Unkraut, das nach dem letzten Regen überall sprießt, aus dem Beet.
    »Ich habe Angst, Gromi. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich liebe ihn doch. Wenn er nicht da ist, vermisse ich ihn so sehr. Aber dann ist da dieser andere Henk …« Wütend reißt Lara ein Unkrautpflänzchen nach dem anderen aus. »Ich hasse ihn. Wenn man sie doch teilen könnte, den einen in die Mülltonne … Was soll ich bloß tun?«
    Lara braucht diese Gespräche mit der Großmutter, auch wenn sie keine Antwort erhält. Es tut einfach gut, auszusprechen, worüber sie sonst nicht reden darf.
    »Geh weg! Setz dich woanders hin!« Mit einer ärgerlichen Handbewegung verscheucht Lara die weiße Taube, die sich auf dem Grabstein niedergelassen hat. Zu spät, sie hat bereits ihr Häufchen mitten auf den Kopf des Engels gemacht.
    Mit einem Taschentuch schrubbt Lara wütend den Dreck weg. Sie hasst alles, was schmutzig und dreckig ist. Aus ihrer Einkaufstasche holt sie eine neue Flasche Pfirsichduschgel, öffnet sie und gießt eine ordentliche Portion über den Engelskopf. Danach schüttet sie Wasser aus ihrer Gießkanne darüber und schrubbt weiter.
    Und wo sie schon einmal dabei ist, wäscht sie auch gleich den Rest des Engels sauber.
    Sie hat den Grabstein für die Großmutter mit ausgesucht. Aus schneeweißem Marmor hat der Steinmetz einen Engel geschaffen, einen Engel, der Harfe spielt. Ein anderer Grabstein kam nicht infrage.
    Laras Finger streicheln dem Marmorengel über das Gesicht. Wunderschön ist er geworden. Die Spitzen der großen Flügel haben einen Goldrand, sie schimmern in der Sonne. Auf seinem Kleid ist der Name der Großmutter eingemeißelt worden.
    Wieder zu Hause setzt sich Lara, wie sie das nach den Friedhofsbesuchen immer tut, an die Harfe ihrer Großmutter, die nun ihr gehört. Laras Finger gleiten über die Saiten.
    Die Töne perlen durch die Luft, führen einen Tanz auf, nehmen sie an der Hand und verschwinden durch das geöffnete Fenster in den Himmel hinauf. Sie schwebt davon, leicht und vollkommen schwerelos.
    Lautes Hupen durchbricht den Zauber. Laras Finger werden langsamer, ihr Körper wird schwer, die Traurigkeit, die sie seit Wochen kaum mehr verlässt, ergreift wieder Besitz von ihr.
    Das Hupen hält an, gleichzeitig brummt ihr Handy.
    Lara geht ans Fenster, ein wütender Henk steht dort und winkt ihr zu.
    Sie läuft hinunter zu ihm, will ihn umarmen.
    Er stößt sie wütend von sich. »Sag mal, hatten wir nicht abgemacht, dass du dein Handy immer dabeihast? Wo warst du? Ich versuche seit Stunden, dich zu erreichen.«
    »Ich war auf dem Friedhof. Da nehme ich kein Handy mit.«
    »›Immer‹ hatte ich gesagt! Und immer heißt immer! Nicht dann, wenn es der Dame einfällt. Kapiert?«
    Lara nickt. Sie ist noch ganz benommen von dem plötzlichen Sturz aus dem Himmel auf die Erde zurück.
    »Los, pack deine Sachen. Ein Freund von mir möchte dich kennenlernen.«
    Heute ist Dienstag.
    Heute hat sie frei.
    Gleich kommt der Vater und wird sie zum Harfenunterricht bringen.
    »Ich kann nicht …«, sagt sie leise. »Heute kann ich nicht. Es ist doch Dienstag, ich habe Unterricht. Du hast gesagt, wir sollen die Gewohnheiten nicht ändern, damit es nicht auffällt.«
    »Ich weiß, dass Dienstag ist, aber wir können doch mal eine Ausnahme machen. Dieser Freund ist wichtig!« Die Wut in Henks Stimme ist nicht zu überhören. »Er ist nur heute in der Stadt, ich schulde ihm einen Gefallen!«
    »Ich kann nicht!«, wiederholt Lara. »Der Harfenunterricht ist teuer. Ich kann ihn nicht ausfallen lassen. Das würden meine Eltern nie zulassen. Außerdem muss ich für den Wettbewerb üben.«
    »Dann ist dir deine blöde Harfe also wichtiger als ich?«
    Die Eltern, die in diesem Moment vom Einkaufen zurückkommen, begrüßen Henk freundlich. »Lara hat heute Unterricht, aber Sie können gerne zum Abendessen wiederkommen«, sagt der Vater. »Hast du deine Noten eingepackt, Lara? Wir müssen los!«
    Lara sieht, wie Henk seine Wut mühsam hinunterschluckt, winkt ihm zu und läuft ins Haus. Leise vor sich hin summend packt sie ihre Noten

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