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Weinen in der Dunkelheit

Weinen in der Dunkelheit

Titel: Weinen in der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Antenne verschwand.
    Tina veränderte sich von Tag zu Tag. Meistens lag sie weinend auf ihrem Bett. Weder durch tröstende Worte noch durch Faxen konnte ich ihr helfen. Vergeblich wartete sie auf ein Lebenszeichen ihrer Eltern. Kein Brief, keine Karte; auch ihr Bruder wußte nichts Neues über ihren Verbleib.
    »Ich will zu meiner Mami«, seufzte sie oft unter Tränen. Über Tinas Kummer sprach ich mit der Erzieherin, aber sie sagte nur:
    »Wenn Tina lange genug hier ist, wird sie sich schon einleben.«
    Das hörte sich nicht gerade ermutigend an, und ich schloß daraus, daß Tina wohl noch lange Zeit im Heim bleiben mußte. Ich sagte ihr lieber nichts davon. Tina lebte sich nicht ein.
    Einmal kam ich dazu, wie sie sich einen Strumpf um den Hals band.
    »Tina, was machst du da?« schrie ich.
    Meine Bemühungen, ihr den Strumpf abzunehmen, wehrte sie mit aller Kraft ab. Wie eine Wahnsinnige rief ich um Hilfe. Mädchen, die ins Zimmer stürzten, holten sofort die Erzieherin. Mit Gewalt hielten wir Tina fest und entfernten den Strumpf.
    Sie kam ins Krankenhaus. Lange, bis in die Nacht hinein, dachte ich an Tina und was wohl mit ihr werden würde.
    Tina kam nie mehr ins Heim zurück.
Stubenappell
    Zur Einhaltung von Sauberkeit und Ordnung machte der Hausleiter mit den Pionieren vom Dienst Hausund Gruppenkontrollen. Das heißt, wir hatten »Appell«, jeden Freitag. Zehn bis sechzehn Mädchen standen in einer Reihe, kerzengerade ausgerichtet, auf dem Flur. Wenn der Hausleiter mit den Pionieren vom Dienst am Flureingang erschien, rief unser Pionier vom Dienst:
    »Achtung, stillgestanden!« Und zum Hausleiter gewandt:
    »Die Gruppe ist bis auf einen vollzählig angetreten. Ein Mädchen liegt auf der Krankenstation.«
    »Danke, rührt euch!«
    Dann kontrollierten sie die Räume und Schränke. Wir wagten kaum zu flüstern. Bis der Rundgang zu Ende war, standen wir still in der Reihe. Gab es Mängel, zum Beispiel Staub unter einem Bett, hieß es:
    »In einer halben Stunde kommen wir wieder, bis dahin ist der Dreck weg!«
    Die Schuldige hatte nichts zu lachen, ein Schwall von Beschimpfungen brach über sie herein. Anschließend redete keine mehr ein Wort mit ihr. Diese sogenannte »Kollektivstrafe« verfehlte ihre Wirkung in der Erziehung nicht. Bis die Gruppe »abgenommen« wurde, durfte kein Mädchen in den Ausgang, also nach Hause fahren.
    Wir verrichteten die Ämter ziemlich gründlich, niemand wollte an den Verboten Schuld haben. Lag die Verschiebung des Wochenendausgangs an einem unordentlichen Schrank, leerte ihn der Pionier vom Dienst mit einer Armbewegung aus. Obwohl die »Schuldige« ihn wieder in Ordnung brachte, begann die Strafe nach dem zweiten Durchgang. Die Sachen wurden immer und immer wieder ausgeräumt, bis das Mädchen weinend zusammenbrach. In ihrer Verzweiflung fand sie weder Trost noch Schutz bei den anderen. Von solchen Strafen blieb ich verschont, da ich den Tagesablauf seit acht Jahren kannte.
Herbstferien
    Wir nannten sie nur Kartoffelferien. In Einheitskleidung fuhren wir mit dem Zug in ein Dorf in der DDR oder in die »Zone«, wie man sie unter sich nannte. Unsere Unterkunft war meistens der Tanzraum einer Kneipe, der mit Matratzen ausgelegt wurde. Nachts bibberte ich vor Kälte, obwohl wir in den Sachen schliefen. Der eiserne Ofen hielt die Wärme genauso wenig wie die dünne, kratzige Wolldecke. Herbstlicher Nebel und feiner Nieselregen hinderten uns nicht daran, sehr zeitig auf dem Acker zu sein. Es machte mir nichts aus, mit den Händen die Kartoffeln aus dem Matsch zu klauben und die schweren Kiepen zur Sammelstelle zu schleppen. Dort wurden sie gewogen, und wir erhielten Marken, für die es später Geld gab. Aber die Kälte und die nassen Klamotten, die nie richtig trockneten, bewirkten, daß ich mich vor den Herbstferien fürchtete.
    Für einige Erzieher war es eine besondere Freude, wenn sie uns zur Arbeit erziehen konnten. Denn immerhin lebten wir von den Geldern des Staates, wie sie es ausdrückten. Sie starteten einen Wettbewerb, um uns zur Arbeit anzuspornen.
    »Wer die meisten Kiepen sammelt, wird Kartoffelkönig.«
    Dreckig und frierend krochen wir Stunde um Stunde übers Feld. Erreichte unsere Stimmung so ziemlich den Nullpunkt, stimmten die Erzieher ein Lied an: »Heut ist ein wunderschöner Tag, die Sonne lacht uns so hell.«
    Nach den Ferien bekam ich schreckliche Schmerzen in den Kniegelenken und konnte kaum gehen. Ich wurde auf die Krankenstation gebracht, mußte viele

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